Der Steinring von Solbrynn
Mitten in den sanften Feldern von Goldmark, dort, wo der Wind kaum je ganz zur Ruhe kommt, erhebt sich der Steinring von Solbrynn. Elf helle Sandsteinblöcke stehen in einem weiten Kreis, ihre Oberflächen glattgeschliffen von Zeit, Regen und ungezählten Sonnenaufgängen. Zwischen den Steinen wächst kurzes, goldgrünes Gras, das im Morgenlicht schimmert, als trüge es den Glanz des Namens in sich.
Wenn der erste Dunst des Tages über die Felder zieht, scheint der Ort zu atmen. Der Wind streicht durch die Lücken des Rings und erzeugt ein kaum hörbares Summen, das irgendwo zwischen Klang und Stille liegt. Vögel meiden den Kreis in den frühen Stunden, und selbst die Insekten scheinen zögerlicher zu werden, sobald sie die Grenze der Steine erreichen.
Die Menschen aus den umliegenden Dörfern kommen selten hierher, doch wer den Ring besucht, bleibt meist länger, als er wollte. Man steht in der Mitte, blickt zum Horizont, und spürt ein leises Schwingen in der Luft – schwer zu benennen, weder Furcht noch Trost, sondern eine sanfte Wachsamkeit, als ob der Boden selbst zuhört. Einige sagen, hier trete man in eine Art Zwischenschicht der Welt, wo Gedanken klarer werden und die Geräusche der Umgebung wie ein einziger Atem klingen.
Bei Sonnenaufgang legt sich ein goldener Schimmer über die Steine, der nur wenige Minuten anhält, dann verschwindet. Danach bleibt eine spürbare Stille zurück – nicht leer, sondern erfüllt. Viele Reisende berichten, dass sie nach einem Besuch im Steinring anders sehen, anders gehen, als hätten sie für einen Moment den Rhythmus der Erde selbst wahrgenommen.
Der Ring von Solbrynn ist kein heiliger Ort im kultischen Sinn, doch er besitzt jene seltene Gegenwärtigkeit, die man nur an sehr alten Orten findet – Plätze, an denen die Zeit sich sammelt, an denen die Welt ein wenig dichter wirkt, als trüge sie dort das Gedächtnis ihrer eigenen Bewegung.
