1st Hakim, 242 AC

Red Hot Bananas

by Aurelie More'ta

Wir entschieden uns dazu, den zweiten Tatort zu untersuchen. Noch bevor wir in Richtung Karam aufbrachen, bekam Alizée ein Sending - ein weiterer Familiärer Notfall. Die anderen waren hungrig vom Recherchieren in der Bibliothek, deshalb kehrten wir in ein kleines Imbiss ein. Nelly sagt immer, es ist höflich, gemeinsam mit anderen zu essen, weshalb ich mir einen scharfen Eintopf bestellte. Der Eintopf bestand aus roten Bananen und Rindfleisch und stark gewürzt. Wenn ich esse, dann am liebsten scharf, würzig, aromatisch. Der Tod hat meine Geschmacksnerven etwas durcheinander gebracht, daher kann ich Geschmack nicht mehr gut wahrnehmen. Vielleicht konnte ich das aber früher auch schon nicht. Jedenfalls war der Eintopf so scharf, dass ich ins Schwitzen kam. Steam aß schien die schärfe sehr schlecht zu vertragen. Er bekam Bauchschmerzen, bestellte dann aber trotzdem eine zweite Portion. Vom Inhaber erfuhren wir, dass sich der Tatort am westlichen Rand von Karam am Makan al Raaha befand. Die betroffene Familie hieß Al-Nasra und hatte ein Kind, das ebenfalls entführt wurde.
 
Kurz vor Sonnenuntergang kamen wir am Haus an und begannen Spuren zu sichern und fanden vorwiegend die gleichen Spuren, wie am vorherigen Tatort auch. Yuri setzte sich an des Symbol am Boden und begann ein Ritual, um es zu analysieren. Frederick, Steam und ich untersuchten währenddessen das Haus von innen. Ich erkannte eine räumliche Verzerrung und wollte sie untersuchen. Die Verzerrung stellte sich als ein, wie wir später lernten, Echo of the Living heraus und schlug nach mir. Der Angriff ließ mich zittrig und mit einem seltsamen Schwächegefühl zurück. Auch jetzt, einige Stunden nach dem Angriff, bleibt das Gefühl bestehen. Ich hoffe, ich kann mich in der Nacht erholen. Für den morgigen Gerichtsprozess brauche ich all meine Kraft. Ich hasse es, wenn so viele Augen auf mich gerichtet sind.
Ich griff nach dem Echo und betäubte es mit einem kurzen Stromschlage. Gerade lange genug, dass ich aus dem Haus fliehen konnte. Das Gefühl der Elektrizität, die sich in meiner Hand sammelt, stellt mir die Nackenhaare auf. Es ist beinahe schmerzhaft, die elektrischen Funken zu sehen - fast so, als würde sich mein Körper an einen Blitzschlag erinnern. Aber, wenn ich nicht durch einen Blitzschlag gestorben bin, woher kommt dieses Erinnerungsfragment? Obwohl ich mich damit so unwohl fühle, muss ich diese Magie verwenden, wenn ich nicht noch einmal sterben will.
Im Haus waren weitere Echos of the Living aufgetaucht, aber Frederick und Steam hatten sie gut in Griff. Auch Yuri war inzwischen durch das Fenster ins Haus gehechtet und unterstützte die beiden. Von der Rückseite des Hauses her tönte Oros Schrei: Er sah, wie sich ein weiterer Arabischer Knoten unter dem Fenster des Nachbarhauses bildete. Ich rannte zu ihm und gemeinsam konnten wir beobachten, wie ein Wesen aus dem Portal stieg. Er sah beinahe menschlich aus, aber doch nicht ganz, alt und vertrocknet - ein wenig wie die Wüste selbst - und voller leuchtender Tattoos. Wir kämpften gegen ihn, doch bevor wir ihn besiegen konnten, sprang er auf den nächsten Arabischen Knoten und war verschwunden.
 
Dann passierte plötzlich etwas seltsames mir Oro'thion: Er begann, schwarze Tränen zu weinen und erzählte mit fremder Stimme die Geschichte des sechsten Prinzen. Es war alles so wie in der Geschichte: Er stahl die Seelen der Mütter, komprimierte sie zu Siegel auf seiner Haut und verwandelte die Väter in Echos of the Living. Aber ich wage es nicht, noch mehr über ihn zu schreiben und erst recht nicht seinen Namen. Ich will nicht, dass er meine Erinnerungen stielt, oder gar mein ganzes Sein.
Nach dem Kampf trauten sich die Bewohne der umliegenden Häuser heraus, um nach dem Rechten zu sehen. Sie hatten beobachtet, was geschehen war und erkannt, dass wir nicht die Täter waren, sondern geholfen hatten. Sie sicherten uns zu, beim morgigen Gerichtsprozess für unsere Unschuld zu bürgen. Oro erklärte mir, dass es kein passender Zeitpunkt war, um Visitenkarten auszuteilen.
 
Da es schon spät war, lud uns Frederick in sein Elternhaus in der Nähe ein. Wir lernten seinen Eltern Fritz und Ann kennen. Sie beide sind Handwerker: Fritz Schuster und Ann Schneiderin. In dem Haus herrscht eine freundliche, warme Atmosphäre. Ich hoffe, meine Eltern waren auch so. Sie boten uns alle möglichen Schlafplätze an, unter anderem des "leere Zimmer". Oro, Yuri und ich waren sehr verwundert darüber, wieso sie ein ungenutztes Zimmer in diesem doch sehr kleinen Haus hatten und wollten wissen, wer früher darin gelebt hatte. Frederick war jedoch felsenfest davon überzeugt, dass nie jemand dieses Zimmer bewohnt hatte. Das Thema kam im Laufe des Abends noch ein paar mal auf, bis Frederick schlagartig von einer Erinnerung übermannt wurde. Das Erinnern wirkte plötzlich und intensiv, verbunden mit starken Emotionen. Die Situation ähnelte der im Ta'Alaq, als ich mich nach dem Gespräch mit Frederick an die letzten Momente vor meinem Tod erinnern konnte.
Schmerzlich erzählte uns Frederick von seiner älteren Schwester, die mit ihm tanzte und lachte und völlig unerwartet aus dem Leben gerissen wurde. Er war gleichzeitig glücklich und traurig bei dem Gedanken an sie und fassungslos, wie er sie vergessen haben konnte. Ein Schluchzen aus dem ersten Stock ließ vermuten, dass auch bei Ann und Fritz die Erinnerung in ihre Tochter Katalina plötzlich und schmerzvoll zurückkehrte.
Wir sprachen als Gruppe eine weile über vergessene Familienmitglieder und fanden heraus, dass sich Frederick so wie Alizée nicht an seine Großeltern erinnern konnte. Oro erzählte von Gesprächen mit Bewohnern in der Stadt, denen es genauso erging. Ein wirklich seltsames Phänomen.
 
Während des Kampfes heute sah Oro für einen Moment sehr ungewohnt aus, so, als wäre er tot - blass, eingefallen, verwest. Als ich ihn vor der Nachtruhe danach fragte, erklärte er mir, dass das sein wahres Aussehen se iund er nur in unserer Welt anders aussehe. Er streitet es ab, aber vielleicht ist er doch ein bisschen wie ich, ein bisschen tot.
Ich konnte heute auch die sonst unsichtbaren Fäden des Schicksals sehen, von denen er häufig spricht. Oro sagt, wir alle haben ein vorbestimmtes Schicksal und können uns entscheiden, ob wir ihm folgen wollen. Ich mag den Gedanken. Was die Matron of Ravens wohl mit mir vor hat?
 
Ich habe mich dazu entschieden, die Nacht in Anns Werkstatt zu verbringen. Mir gefallen die Farben und Muster ihrer Stoffe, auch wenn sie beginnen, in der Dunkelheit zu verschwinden. Ich werde sie mir noch eine Weile ansehen, bis ich in meinen Gedanken versinke.

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