Vintergard
Die erste Stadt der Frostmenschen
Wenn man mit einem Boot in die weite Bucht des Westens einfährt, erhebt sich Vintergard aus dem Eis – eine Stadt, die aus der Notwendigkeit geboren wurde und sich über die Jahrhunderte zu einer lebendigen Ansammlung aus Knochen, Leder und frostigem Stein gewandelt hat. Die Küstenlinie ist gesäumt von Stegen, gefertigt aus Wal- und Fischknochen, manche aus magisch gehärtetem Eis, um dem Zahn der Zeit zu trotzen. Kleine Segler und Fischerboote treiben im ruhigen Wasser, während größere Schiffe weiter hinaus auf die Jagd gehen – nach Vögeln, Robben oder den gewaltigen Kreaturen des Meeres, deren Namen noch niemand wirklich kennt. Betritt man die Stadt, trifft man zuerst auf die großen Lagerhäuser, in denen Vorräte gestapelt werden – Fässer voller Fisch, getrocknete Lederhäute, kunstvoll bearbeitete Knochen. Die Häuser der Frostmenschen sind entweder aus Eis oder aus gewaltigen Rippen der Meeresungeheuer gefertigt. Rund oder langgezogen, wie die Brustkörbe der Giganten des Ozeans. Das Hafengebiet ist immer in Bewegung. Händler rufen ihre Waren aus, der Fischmarkt lockt mit seinem salzigen Duft, und überall sind Menschen mit ihrem täglichen Geschäft beschäftigt. Doch wenn man tiefer in die Stadt vordringt, verändert sich das Bild: Ein Wirrwarr aus schmalen Gassen, in denen die Häuser wild durcheinander gebaut wurden, ohne Planung, ohne Muster – jeder errichtete seine Behausung dort, wo es ihm richtig erschien. Manche ähneln igluartigen Strukturen, andere sind kleine Kuppeln aus Knochen und Leder. Im Herzen von Vintergard steht ein monumentales Gebäude – ein umgedrehtes Schiff aus der Zeit des Exodus. Seine einst hölzerne Hülle zeigt nun gen Himmel, gestützt von Stoßzähnen und Rippen aus den größten Wesen des Meeres. Dies ist das Versammlungshaus, wo die Menschen sich treffen, um zu feiern, zu beraten und Recht zu sprechen. Auf dem weiten Platz davor versammeln sich die Bewohner für Zeremonien, Festlichkeiten und Markttage. Neben dem großen Gemeindehaus gibt es weitere öffentliche Gebäude, die den Alltag der Frostmenschen prägen. Ein schlichtes, aber unverzichtbares Bauwerk ist das Haus der Heilung, in dem Wunden versorgt und Krankheiten behandelt werden – errichtet aus verdichtetem Eis, mit innenliegenden Knochenverstrebungen. Unweit davon liegt der Trainingsplatz der Wachen, eine offene Fläche, die von Schneewällen geschützt ist. Hier üben die Verteidiger der Stadt mit Waffen aus gehärtetem Knochen und Eis, während ein angrenzendes Gebäude ihre Ausrüstung verwahrt und neue Rekruten ausbildet. Etwas verborgen, zwischen den Gassen, befindet sich ein kleines Amphitheater aus Eis – kein gewaltiger Bau, sondern eine schlichte, halbrunde Senke, in die Stufen aus kompaktem Frost gehauen wurden. Hier versammeln sich die Bewohner für Erzählungen, einfache Aufführungen oder wichtige Verkündungen, während das Echo der Stimmen sanft in der eisigen Kammer zurückgeworfen wird. Weiter im Norden erstreckt sich das Handwerkerviertel, ein Bereich, der systematischer angelegt ist. Hier werden Knochen geschnitten, Leder gegerbt, Eis bearbeitet – die Werkstätten sind eng miteinander verbunden, denn jedes Handwerk braucht das andere. Der Metzger, der Fleisch verarbeitet, arbeitet direkt neben dem Gerber, der die Felle behandelt, und dem Knochenbearbeiter, der Werkzeuge und Schmuck fertigt. Die Stadt ist nicht nur von ihrer eigenen Bauweise geprägt, sondern auch von ihren Schutzmaßnahmen: Eine gewaltige Eismauer umgibt Vintergard, errichtet, um die Frostmenschen vor den unerbittlichen Kreaturen der Eiswüste und den grausamen Winden zu schützen. Zwei große Tore führen hinaus – eines nach Norden, eines nach Südwesten, wo die Handelswege verlaufen. Innerhalb der Mauer findet sich etwas Besonderes: Nischen, gefüllt mit Frostglas, das die Namen aller Kinder trägt, die hier geboren wurden. Ein magisches Register, eine Erinnerung an jene, die in Vintergard ihr Leben begonnen haben. Über 3.000 Jahre wurde dieses Register fortgeführt, und die Mauer beginnt, sich zu füllen – ein stilles Zeugnis für die Vergangenheit und die Zukunft der Frostmenschen. Vom eisigen Ausguck auf der Mauer blickt man hinaus auf das gefrorene Land – eine Welt, die rau und gnadenlos ist, und doch voller Leben. Vintergard ist mehr als nur eine Stadt im Eis. Sie ist die erste Bastion der Frostmenschen, das Herz ihrer Geschichte und der Ursprung ihrer Welt.
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