Die Ahnenverehrung
Während des Exodus war es nicht möglich, Verstorbene im ewigen Eis zu bestatten, wie es einst Brauch war. Die Toten über Jahrzehnte auf den Schiffen aufzubewahren war ein Ding der Unmöglichkeit, also wurden sie dem Meer übergeben. Gleichzeitig wurden ihre Namen aufgezeichnet, damit sie nicht vergessen werden. Während der Reise wurden aus praktischen Gründen auch alle lebenden Personen aufgelistet, damit Dinge wie Essensverteilung, Diensteinteilung usw. systematisch und gerecht vonstattengehen konnten.
Während des Aufbaus von Vintergard nach dem Exodus wurden diese beiden Vorgehensweisen weitergeführt und ausgebaut. Es wurde zur Tradition, dass die Namen von Neugeborenen auf Ahnentafeln – später aus Frostglas gefertigt – verewigt wurden. Wenn jemand starb, wurde der Name gestrichen, allerdings so, dass er weiterhin leserlich blieb.
Aus diesem Grund kann normalerweise jeder Frostmensch seine Ahnenlinie zurückverfolgen, sofern er seine Eltern kennt. Natürlich haben sich Familienzweige gebildet und die Verwandtschaft ist groß, was es unmöglich macht, eine komplette Familie auf einem einzigen Frostglas abzubilden. Daher werden schon seit über 1000 Jahren die Neugeborenen nach Jahrgängen auf Frostglas geschrieben. Es liegt in der Verantwortung der Familien, sich um ihre Ahnenreihe und die korrekte Aufzeichnung zu bemühen.
Meist werden nur besondere Persönlichkeiten unter den Ahnen verehrt – und beim Einzelnen natürlich auch diejenigen mit persönlichem Bezug. So kann es sein, dass unter den Ahnen einer Familie ein Krieger verehrt wird, der im Kampf gegen eine Bestie heldenhaft gefallen ist, aber ebenso die Großmutter der betenden Person, wenn zwischen ihnen ein besonders herzliches Verhältnis bestand.
Familienschrein
Jede Familie besitzt einen Familienschrein. Einige haben nur eine kleine Nische in ihrer Behausung, in der kleine Figuren der Ahnen stehen. Meist sind diese aus Knochen geschnitzt, vermögende Familien besitzen vielleicht sogar welche aus Frostglas. Einige wenige Familien haben im Eis westlich der Städte größere Familienschreine angelegt, die für Zusammenkünfte geeignet sind und auch für Familienfeste unter den Augen der Ahnen dienen. Dann kommen viele Familienzweige zusammen und feiern gemeinsam, zum Beispiel eine Hochzeit. In diesen Schreinen ist oft der Hauptstrang mit den wichtigsten Ahnen aufgezeichnet und aufgestellt. Bei Hochzeiten wird traditionell eine neue Knochenplatte angefertigt, auf der die Verbindung der beiden Partner sowie ihre Herkunftslinien verzeichnet sind. Diese Platte wird anschließend im Familienschrein verwahrt – entweder sichtbar ausgestellt oder in einer Kiste mit anderen Ahnennachweisen abgelegt. In manchen Familien ist es üblich, solche Platten auch nach dem Tod des Paares zu archivieren, um die Linie für spätere Generationen nachvollziehbar zu halten. Einige Familien führen besonders sorgfältige Aufzeichnungen. In diesen Haushalten gibt es oft eine bestimmte Person – den sogenannten Ahnenpfleger – der für die Pflege der Tafeln, Figuren und Dokumente verantwortlich ist. In seltenen Fällen lebt dieser sogar direkt im Schrein oder in einem angrenzenden Raum und widmet sich ausschließlich der Ahnenpflege. Solche Strukturen finden sich meist in traditionsreichen oder besonders wohlhabenden Familien und gelten als Zeichen großer Ehrerbietung gegenüber den Vorfahren. Meist besitzt jeder Familienzweig eine eigene Aufzeichnung der Ahnen – nur die wichtigsten natürlich.Verehrung
Traditionell werden berühmte Ahnen als Figuren verehrt. Zu ihrem Todestag werden diese Figuren besonders geehrt, indem die Familie sich am Abend zusammensetzt und die Figur mit an den Tisch bringt. Dort bekommt sie einen eigenen Platz, und alle Mitglieder geben ihr etwas vom eigenen Essen ab. Dazu wird auf einem Teller vor der Figur symbolisch Nahrung abgelegt. Gleiches gilt für Getränke – ein Becher wird nach und nach durch Teilen gefüllt. Manche schmücken auch den Schrein im Haus oder die Figur selbst. In großen Schreinen wird für sehr wichtige oder berühmte Ahnen sogar ein Fest ausgerichtet. Nach der Speisung setzt sich die Familie zusammen und erzählt die Geschichte des Ahnen, damit sie nicht vergessen wird. Danach wird die Figur wieder in die Nische gestellt, und die Familie wünscht dem Ahn, dass er bald wiederkehren möge. Dies begründet sich auf dem Glauben, dass Seelen wiedergeboren werden können und erneut große Taten vollbringen – zum Wohl der Familie und der Frostmenschen.Bitten und Gebete
Abhängig davon, was der Ahn vollbracht hat, richten sich auch die Bitten an ihn. War er ein tapferer Kämpfer, so bittet man um Mut, Standhaftigkeit und ähnliches. War er ein hervorragender Handwerker, dann wird um künstlerische Begabung oder neue Ideen gebeten. Ein sehr sozialer Ahn wird vielleicht um Kindersegen, Heilung oder Schutz angerufen. Jede Familie hat ihre eigenen, ganz unterschiedlichen Charaktere unter den Ahnen – eine Pauschalisierung ist nicht möglich. Die Charakterzüge des Ahnen bestimmen die Art der Gebete und Bitten.Seelenwanderung
Die Frostmenschen glauben, dass die Seelen der Verstorbenen irgendwann zurückkehren und in ein ungeborenes Kind einkehren. Die meisten Seelen sind unbedeutend und einfach – niemand wird sie wiedererkennen. Aber in einigen Familien gibt es immer wieder hervorragende Kämpfer, Strategen, Magier oder Handwerker, sodass dieser Glaube bestätigt wird. Es ist immer wieder die Seele desselben Ahnen, die zurückkehrt und Großes vollbringt.
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