Flüsterfedern

Mit gleitenden Schritten bewegte sich die Frau durch den Raum. Der Saum ihres langen schwarzen Gewandes rauschte über den Boden, keinen einzigen Laut mit sich ziehend. Sie war wie ein Geist, unbemerkt von den meisten um sie herum, obwohl ihre Gestalt so eindrucksvoll hätte sein sollen. Die Frau war gut zwei Meter groß und von einer Statur, die es mit manchem Krieger hätte aufnehmen können. Selbst unter den Schichten des schwarzen und zierratlosen Gewands zeichneten sich muskulöse Schultern und ein breiter Rücken ab. Das Gesicht war bedeckt von einem weißen Schleier, der das Wappen der Göttin auf Höhe der Augen führte und das Zeichen des blauen Hauses über den Lippen.

Arthur zuckte zusammen. Eigentlich hatte er seinen Geist ausgedehnt, um nach dem Stein zu tasten, den ihr Dozent ihnen als Hausaufgabe zur Untersuchung gegeben hatte, stattdessen umfing ihn allerdings die Präsenz der Dame, wobei umfangen nicht der richtige Ausdruck war. Sie streifte sein Bewusstsein, ein beeriger Geruch in der Luft, der so schnell verschwand, wie er gekommen war. Der Junge blinzelte, bemüht die Frau weiter im Blick zu behalten. Er hielt einen beeindruckten Laut zurück, ob der energetischen Kontrolle, mit welcher die Frau ihre eigene Präsenz unterdrückte.

Abrupt blieb sie stehen, mitten neben einigen Studenten, die sie nicht einmal bemerkten und angeregt weiterredeten, während die Hünin ihren Schatten über sie legte. Ihre Gestalt drehte sich um und schien sich kurz in der großen Eingangshalle der Akademie umzusehen, bevor ihr Blick hinter dem Schleier scheinbar auf Arthur fiel. Für den winzigsten Moment meinte er ein Grinsen hinter dem weißen Stoff mit den Verzierungen darauf zu sehen, ein anerkennendes Lächen.

Die Flüsterfedern sind eine Profession innerhalb der Kirche des Lichts, die mit dem Erleben, Untersuchen und Erforschen der spirituellen Welt um sich herum betraut sind. Hierbei legen sie einen großes Maß an Mühen darauf die Welt derart wahrzunehmen, dass sie Verbindungen mit den Engeln und anderen göttlichen Einflüssen aufbauen können.

Meister der Stille

Das Elystrat erzählt von der Zeit, da die Göttin ihr Augenlicht opferte, um den Kosmos zu gebären. Lieber wollte sie um die Schöpfung herum wissen und sie niemals erblicken können, als Augen zu besitzen, mit denen sie nichts außer Finsternis sah. Als die Ame jedoch ihr Augenlicht gab, tat sie dies nicht stillschweigend, sondern begleitet von den Ausdrücken ihres Wunsches. Jedes Wort, das über ihre Lippen kam, bestimmte die Form dessen wofür ihre Augen starben. Jene Worte die sie damals sprach, Worte die über die Lippen der Göttin kamen, sind bis heute unverklungen. Sie hallen durch den Sternenhimmel, kreisen durch die Finsternis und dringen selten an die Ohren ihrer treusten Diener.


Die Flüsterfedern sind mit der für die Kirche essenziellen Aufgabe betraut in Stille zu leben, um die ewig klingende Stimme der Göttin und die unverständlichen Stimmen der Engel zu vernehmen. Sie leben in Klostern und unterwerfen sich freiwillig Schweigegelübden. Ihre Zeit verbringen sie nahezu ausschließlich mit dem Schlafen, Essen, dem Pflegen des Klosters, der Versorgung mit Nahrung und dem Niederschreiben ihrer Erkenntnisse. Hierzu lassen sie sich in Kammern nieder, die durch dicke Wände und teilweise sogar durch Magie von jedem Geräusch befreit werden.

In diesen tonlosen Räumen verbringen sie zumeist nur 30 Minuten, aufgrund der intensiven Eindrücke, die über das Bewusstsein hereinbrechen. Anschließend verlassen sie die Kammern und finden sich den Bibiliotheken ihrer Kloster oder Versammlungshäuser ein und schreiben nieder, was sie in der Stille wahrgenommen haben. Erfahrene Flüsterfedern verbringen teilweise bis zu zwei Stunden in absoluter Stille, verlieren sich in den Botschaften der Göttin und der Engel. Zur Niederschrift allerdings muss sich in einen Ort begeben werden, der ein gewisses Maß an normaler Lautstärke gestattet, denn nur welche Erinnerungen in irdischen Räumen bestehen bleiben, sich als echte Botschaften erweisen.
Profession
Flüsterfeder

Übergeordnete Organisation
Kirche des Lichts

Vertreter
  • Mira Ement (ehemalige Lehrerin der Waagenakademie von Ethmos)
  • Schwester Esmera (Katja, Kloster bei So-Wen)
  • In den Hierarchien und Strukturen der Kirche des Lichts unterwirft sich alles der Mahia, der Tochter der Göttin, dem ersten Kind der Ame. Sie ist ihr die Nächste. Sie vernimmt ihre heilige Stimme und führt das ewig lebende Werk des Elystrats fort. Unter ihr teilt sich die Kirche in zwei Bereiche. Einmal die militärischen vier Häuser, die mit ihren Aufgaben betraut sind und zweitens der Orden von Varia, welcher sich um die organisatorischen, verwalterischen und repräsentativen Aufgaben der Kirche bemüht.

    Die Flüsterfedern unterstehen interessanterweise keiner dieser beiden Gruppierungen, sondern bilden einen eher theologischen Bereich des Glaubens ab. Den öffentlichen Informationen nach findet kein direkter Informationsfluss zwischen der Mahia und den hunderten Flüsterfedern statt. Gerüchte aus Harmos allerdings berichten von ganzen Wagenladungen von Niederschriften, Aufzeichnungen und Berichten, die alle paar Monate in Harmos eintreffen und in den Palast der Einheit gebracht werden.
    Typ
    Religious

    Die Stimmen der Engel

    Eine der wichtigsten Facetten der Flüsterfedern liegt nicht nur im Hören der Stimme der Ame, immerhin wird diese bereits durch die Mahia selbst in die irdische Welt getragen, sondern viel eher im Hören der Engel. Dem Elystrat nach erklingen die Stimmen der Engel als ein schrilles und schreckliches Kreischen, welches nur von jenen verstanden werden kann, die dazu bestimmt sind ihren Worten zu lauschen. So werden spezifische Botschaften der Ame vor unbefugten Ohren behütet. Genau die Ame sollen die Engel allerdings auch eine ewig hallende Stimme haben, welche die Flüsterfedern in der Stimme hören können.



    Cover image: by CSor96 using Midjourney

    Kommentare

    Please Login in order to comment!