Týmon Hraundal
Der Bombenbotaniker
„Wenn’s zischt, lebt’s. Wenn’s brennt, lernt’s.“
Herkunft & Wesen
Týmon Hraundal, ein Mensch von kleiner Gestalt und schmalem Wuchs, ist für enge Gassen, Labortische und spontane Fluchtwege geschaffen. Seine Bewegungen sind präzise, angetrieben von einem inneren Pendel, das nie stillsteht. Er entstammt einer alten Werkstatt, in der Dampf, Glas und Schwefelgeruch zum Alltag gehörten. Kind eines Laborhauses, Lehrling eines ruhelosen Gelehrten – sein Leben war von Anfang an ein einziges Experiment, und er selbst das unbeabsichtigte Nebenprodukt.
Heute zieht Týmon als wandernder Alchemist und Gelehrter durch die Lande, stets auf der Suche nach neuen Stoffen, Formeln und Erkenntnissen. Beladen mit Phiolen, Kräutern und unzähligen Narben sucht er das perfekte Gleichgewicht zwischen Ordnung und Chaos. Er verkauft, heilt, sprengt und heilt erneut. Für ihn ist alles, was zischt, lebendig – und doch begleitet ihn das Gefühl, dass jedes Feuer etwas von ihm selbst verzehrt.
Erscheinung & Ausdruck
Klein, wendig und sehnig – Týmons Körper ist das Werkzeug eines rastlosen Geistes. Seine sonnengebräunte Haut trägt zahllose Schnitte und Brandnarben, Spuren früherer Experimente, die er mit Stolz zeigt. Ein Lockenkopf aus rußverschmiertem Haar rahmt ein Gesicht, das zwischen jugendlicher Begeisterung und müder Konzentration schwankt. Die bernsteinfarbenen Augen wirken, als suchten sie unaufhörlich nach dem nächsten Funken Erkenntnis.
Ein feiner Geruch aus Thymian, Rauch und Metall begleitet ihn, eingebrannt in Kleidung und Haut. Die Hände sind ständig in Bewegung – sortierend, klopfend, tastend. Wenn er spricht, sprühen seine Worte wie Funken, sprunghaft und voller Energie. Und wenn er lacht, klingt es wie das helle Knistern einer Zündschnur kurz vor der Explosion.
Charakter & Haltung
Týmon arbeitet, um zu vergessen. Er ist ein Mann, der sich in Formeln flüchtet, weil Gefühle schwerer zu berechnen sind. Seine Unabhängigkeit ist ehrlich, doch sie ist auch seine Zuflucht. Freiheit bedeutet für ihn, niemandem etwas zu schulden – doch diese Haltung schiebt ihn in jene Einsamkeit, die er sich selbst auferlegt.
Er ist freundlich, solange man ihn nicht bremst, hilfsbereit, solange man ihn in Ruhe lässt. Menschen interessieren ihn, aber eher als Objekte des Studiums. Er kennt jede Reaktion zwischen Kräutern, doch kaum eine zwischen Herzen. Unter der Rußschicht schlägt ein Herz, das Verbindung sucht, ohne zu wissen, wie sie funktioniert. Vielleicht ist seine rastlose Neugier weniger Wissensdrang als der stille Versuch, Kontakt auf seine Weise zu finden.
Das Feuer der Anfänge
Mit zwölf Jahren stand Týmons Welt in Flammen. Ein Moment der Unachtsamkeit, ein Funke zu früh – und das Labor seines Meisters verwandelte sich in einen Sturm aus Rauch und Glas. Er zog den alten Mann aus den Trümmern, doch die Dämpfe raubten diesem das Leben. In den Stimmen der Umstehenden hallte ein Gedanke nach: Wenn er allein gewesen wäre, hätte er schneller reagieren können.
Von da an mied er Hilfe. Er nannte es Effizienz, doch in Wahrheit war es Schuld – destilliert, abgefüllt und nie ganz verdünnt. In diesem Feuer wurde seine Lebensformel geboren: Vertrauen brennt langsamer, aber es brennt. Diese Erfahrung formte nicht nur seine Kunst, sondern auch seine Furcht, jemals wieder jemanden nah genug an sich heranzulassen, um Schaden zu nehmen.
Der Markt von Barovien
Jahre später sitzt Týmon auf einem staubigen Markt zwischen Brettern und Phiolen, das Tuch über seinem Stand riecht nach Salz und Sonne. Er verkauft Tränke und Pulver, lacht über seine eigenen Explosionen und zieht doch Blicke auf sich. Die Menschen meiden ihn, doch sie brauchen ihn. Wenn der Tag endet, zählt er Münzen und nennt es Zufriedenheit.
In den stillen Stunden betrachtet er seine Hände im Licht der Laterne – ruhig, leer, fast fremd. Dann redet er leise mit seinen Phiolen, als wären sie Freunde. Sie antworten nicht, aber das leise Klirren reicht ihm, um weiterzumachen. Diese Szene spiegelt seine Rastlosigkeit: Erfolg ohne Freude, Erkenntnis ohne Echo.
Das Mädchen mit dem Schnitt
An einem Waldrand hört er ein leises Aufschreien. Ein Mädchen steht da, die Hand blutend vom Dornenstrauch. Wortlos kniet Týmon sich hin, öffnet ein Fläschchen, und die Mischung zischt, als sie die Wunde berührt. Das Blut versiegt, das Kind blickt ihn an.
„Warum machst du das?“, fragt sie. Er zögert, dann murmelt: „Weil du sonst ’nen Arm verlierst.“ – „Nein“, sagt sie, „warum du?“ Zum ersten Mal seit Jahren weiß er keine Antwort. Als sie ihn „Onkel Funken“ nennt und verschwindet, bleibt eine fehlende Phiole zurück – und etwas, das wie Wärme in seiner Brust brennt.
Getriebener Wandel
Týmon verwechselt Selbstgenügsamkeit mit Stärke. Er glaubt, dass Nähe die Sinne trübt, und dass Alleinsein Reinheit bedeutet. Doch tief in ihm wächst die Ahnung, dass Erkenntnis auch durch Verbindung entstehen kann. Jeder, der ihm begegnet, hält ihm unbewusst einen Spiegel hin – einen, in dem er etwas sieht, das nicht reagiert, sondern lebt.
Diese Erkenntnis bahnt sich langsam an, wie eine chemische Reaktion, die zu schwelen beginnt, lange bevor sie sichtbar wird. Seine Geschichte ist kein Pfad zur Erlösung, sondern ein Experiment mit offenem Ende. Wie viel Mensch verträgt ein Alchemist, bevor er wieder Feuer fängt?
Wirkung auf andere
Noch bevor man ihn sieht, kündigt sich Týmon durch einen Hauch von Kräutern und das leise Klirren seiner Ausrüstung an. Seine Präsenz wirkt zugleich faszinierend und gefährlich, als schwanke er ewig zwischen Heilung und Zerstörung. Kinder suchen seine Nähe, Tiere weichen ihm aus, Erwachsene bleiben unentschlossen.
Wer ihm jedoch zuhört, entdeckt zwischen Fachsprache und Ironie einen warmen Unterton – eine unbewusste Zärtlichkeit gegenüber allem, was lebt. Sie macht ihn weniger zu einem Sonderling als zu einem stillen Zeugen der Welt, der sie begreifen will, auch wenn sie ihm immer wieder entgleitet.
Wandel & Möglichkeit
Týmons Weg ist kein Aufstieg, sondern eine Öffnung. Seine Kunst trennt Stoffe, doch sie könnte auch verbinden. Vielleicht findet er eines Tages jemanden, der bleibt, wenn der Rauch sich legt, oder erkennt, dass geteiltes Wissen nicht an Wert verliert. Vielleicht bleibt er allein – doch dann aus Wahl, nicht aus Angst.
Am Ende steht ein Alchemist, der das Leben in Formeln fasst, weil Gefühle zu ungenau sind. Rußig, klug und verletzlich sucht er Klarheit im Chaos und stößt dabei immer wieder auf sich selbst. Und jedes Mal, wenn eine Phiole zerbricht, fällt ein Stück seiner Mauer.
„Ich bin kein Zauberer – ich bin ein Chemiker mit Glauben an Chaos. Aber vielleicht, eines Tages, lerne ich, was Ordnung wirklich heißt.“

