Thalya Marensír

Priesterin der Stille, Tochter des Nebels, Hüterin der Schwelle


Herkunft

Thalya wurde in einem kleinen Dorf im östlichen Jortavall geboren – in einer Senke zwischen zwei Flussläufen, wo die Nebel wie schützende Schleier über das Land ziehen. Ihre Mutter war eine einfache Weberin mit ruhigen Händen, ihr Vater ein Jäger, der mehr mit Tieren sprach als mit Menschen. Es war kein bedeutender Ort, aber ein friedlicher – und es war genug.

Schon als Kind war Thalya stiller als andere. Nicht scheu, nicht traurig – einfach still. Sie konnte stundenlang am Rand des Flusses sitzen, Kiesel über das Wasser schleudern und der Welt beim Atmen zuhören. Während andere Kinder Fangspiel spielten, beobachtete sie, wie das Licht durch Spinnennetze fiel. Die Ältesten sagten: „Sie hört Dinge, die wir vergessen haben.“

Als sie neun war, starb eine alte Frau im Dorf – eine Heilerin, die ihr manchmal Geschichten erzählt hatte. Niemand traute sich, den Leichnam zu berühren. Doch Thalya trat still vor, schloss der Frau die Augen und sprach ein Gebet, das niemand sie gelehrt hatte. Es war der Moment, in dem die Priesterin von Saelari auf sie aufmerksam wurde.


Der Tempel

Sie wuchs im Tempel auf – zwischen Räucherwerk, Wasserbecken und Chorälen. Dort lernte sie, dass Heilung nicht Kontrolle ist, sondern Nähe. Dass Zuhören eine Form der Gnade ist. Und dass manche Wunden nicht geschlossen werden wollen – sondern gesehen.

Ihre Stimme wurde zum Werkzeug, ihr Blick zum Trost. Man nannte sie bald die „Seelenweberin“. Sie verband Worte, Hände, Erinnerung – und brachte Frieden in das, was zerbrochen war.

Doch sie blieb immer auch eine Suchende. Wenn andere Priester meditierten, wanderte sie durch die stillen Gärten. Wenn Rituale abgeschlossen waren, blieb sie manchmal noch sitzen – als wolle sie etwas hören, das am Rand der Welt lag.


Der Bruch

Die Pilgerreise in den Norden veränderte alles.

Ein schwarzer Nebel senkte sich über sie – nicht mit Zorn, nicht mit Lärm. Nur Stille. Danach war ihre Gabe nicht mehr dieselbe. Ihre Worte heilten nicht. Ihre Segnungen riefen Dinge herbei, die nicht leben sollten. Die Magie floß – aber anders. Tief. Kalt. Fremd.

Sie bat um Prüfung. Um Wiederaufnahme. Um ein Zeichen. Doch die Ältesten wussten nicht, was sie mit ihr tun sollten. Sie war kein Ketzer – aber auch keine Priesterin mehr. Und so ging sie. Ohne Streit. Nur mit einem Gefühl: „Ich wurde verstoßen – von Licht, das mich einst erwählte.“


Die neue Thalya

Heute wandert sie durch Njörvalla. Nicht als Prophetin. Nicht als Heilerin. Sondern als etwas Dazwischen. Sie spricht mit den Sterbenden – und manchmal mit den Toten. Ihre Magie ist Necromantie, doch keine, die herrscht oder entreißt. Sie bittet. Sie berührt. Sie ruft nur, wenn es nötig ist.

Und manchmal, wenn es um Leben oder Tod geht, kämpft sie. Mit Schatten an ihrer Seite. Mit alten Seelen, die noch einmal zurückkehren, um sie zu schützen. Und sie hasst es – jedes Mal. Aber sie tut es. Weil sie glaubt: „Ich darf mich schützen. Auch wenn ich dafür verraten muss, was ich war.“


Wer sie ist

Thalya ist kein kaltes Wesen. Sie ist höflich, aufmerksam, von leiser Freundlichkeit. Doch es gibt eine Grenze in ihr – eine Stille, die nicht gefüllt wird. Sie hört mehr, als sie sagt. Und sie redet selten über sich selbst.

Sie liebt dampfenden Tee mit bitterem Kraut, liest alte Liederrollen, die sie nie laut singt, und sammelt gläserne Splitter, die sie in einem Tuch bei sich trägt. Sie schläft schlecht. Wenn sie allein ist, spricht sie zu den Schatten – nicht, weil sie Antworten erwartet, sondern weil sie sich erinnern will, wie es war, zu glauben.

Sie hat ein trockenes Lächeln, wenn man ihr schmeichelt. Und einen scharfen Blick, wenn man lügt. Sie meidet Berührungen, aber nicht aus Abscheu – sondern weil sie nicht sicher ist, ob sie noch heilen kann, ohne etwas mit sich zu nehmen.


Beziehungen

Thalya kommt mit Menschen klar – solange sie nicht zu nah kommen. Sie weiß, wie man sich verhält. Wie man Trost spendet, ohne zu zerbrechen. Doch echte Nähe? Das ist schwer.

Sie lässt niemanden leicht an sich heran. Nicht aus Hochmut – sondern aus Furcht: Was, wenn sie jemanden heilt – und wieder verliert? Oder schlimmer: Was, wenn sie jemanden liebt – und ihre Magie ihn zurückholt, wenn er geht?


Sehnsucht & Ziel

Tief in ihr lebt noch eine Hoffnung. Eine, die sie nicht ausspricht. Die Sehnsucht, wieder wirklich heilen zu dürfen. Nicht die Wunden anderer – sondern die eigene. Der Wunsch, die Gabe zurückzuerlangen. Nicht als Macht – sondern als Gnade. Sie glaubt, dass sie den Nebel verstehen muss, um den Fluch zu brechen. Dass sie einen Preis zahlen muss – bevor Saelari ihr wieder antwortet.

Und bis dahin?

Nutzt sie die Schatten. Wandert durch das Land. Und hofft, dass ihre Stimme eines Tages wieder heilt – statt zu rufen, was schon gegangen ist.

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