Die Dvállunar
In den glimmenden Tiefen Isfjorrs, dort, wo das Licht aus Sporen geboren wird und selbst der Stein ein Gedächtnis trägt, leben die Dvállunar – ein Volk aus Kupfer und Klang, aus Dunst und Erinnerung. Sie wohnen in der Hlóssvyr, dem Resonanzgrund, wo Wände summen und Wurzeln auf leises Flüstern antworten. Ihre Heimat ist keine Höhle, sondern ein lebendiges Geflecht aus Wärme, Pilzlicht und dem Hæmrathyl – dem atmenden Gewebe allen Lebens.
Wer den Pfad in ihre Welt betritt, verlässt die Sprache der Oberfläche. Hier spricht man nicht mit Lauten, sondern mit Tiefe. Nicht mit Befehl, sondern mit Schwingung. Die Dvállunar leben in Harmonie mit dem Sýlorrûn, dem Schwefelgesang, der aus der Erde selbst aufsteigt – uralt, vielschichtig, gefährlich und schön.
Die Erscheinung
Dvállunar wirken, als wären sie aus dem Fels selbst geboren. Ihre Haut schimmert in Nuancen von Kupfer, Lavaglas, gedämpftem Gold und dunkler Glut – als hätten Jahrtausende sie poliert. Die Kämme auf ihren Köpfen – geäderte Gebilde aus Horn und Porenstrukturen – dienen dem Fluss der Hitze, wie die Lamellen einer glühenden Blume. Ihre Augen sind groß, weit geöffnet für das Zwielicht, oft ohne klare Iris – ein Spiegel des inneren Klangs.
Die Kleidung der Dvállunar ist nicht zum Schutz gedacht, sondern zur Resonanz. Sie tragen gewebte Stoffe aus Pilzfäden, mineralischer Seide und Lavagarn – meist in gedeckten Farben, durchwirkt mit Sporenperlen oder dünnen Adern aus Gávraskglas. Jedes Kleidungsstück hat einen Klang, jede Bewegung ist Teil eines größeren Liedes.
Drei Stimmen – Drei Geschlechter
Die Dvállunar kennen nicht zwei Wege, sondern drei:
Nicht nur Licht und Schatten, sondern auch das Dazwischen – das, was verbindet.
Sie nennen sie Lýrahm, Várrik und Súunel. Drei Formen des Lebens, drei Stimmen eines Liedes, das nur vollständig klingt, wenn alle Töne erklingen dürfen.
Lýrahm, die erste Schwingung, ist der Anfang. Feingliedrig, offen für Farbe, Geruch und Strömung. In ihnen beginnt das Lied – sie rufen den Impuls, geben dem Leben die erste Resonanz.
Várrik, die tiefe Wurzel, ist die Trägerform. Sie bewahren, was begonnen wurde, nehmen es in sich auf, nähren es mit Glut und Geduld. In ihrer Brust – oder tiefer noch – wächst, was geboren werden will. Ihr Körper summt, bis der neue Klang bereit ist, sich zu lösen.
Súunel, die Vollenderin, ist weder Anfang noch Träger, sondern das Dazwischen – das, was Leben weckt. Ein einziger Gesang, ein Hauch, eine Berührung genügt. Ohne sie bleibt der Ton stumm. Sie rufen nicht das Leben – sie öffnen es.
Die Alten sagen:
„Ohne Lýrahm – kein Beginn.
Ohne Várrik – kein Werden.
Ohne Súunel – kein Erwachen.“
Ursprung der Dreiheit
Einst, so heißt es, war das Volk einheitlich in Klang und Gestalt. Doch als sie sich in die Tiefe zurückzogen, kam der Bruch des Tons: Der eine Laut, den alle gemeinsam trugen, wurde durch das Echo zerrissen. Er kam dreifach zurück – hell, tief und schwebend – und nie wieder wurde er eins.
Seitdem sprechen die Dvállunar nicht mehr in Paaren, sondern in Klangdreiecken. Leben entsteht nur, wenn alle drei Seiten mitschwingen – nicht immer gleichzeitig, nicht immer sichtbar, aber immer notwendig.
Der Sýlorrûn – Schwefelgesang
Die Dvállunar wirken Magie nicht durch Wille oder Formel, sondern durch Resonanz. Ihre Magie heißt Sýlorrûn – der Gesang des inneren Rauchs. Sie ist wild für Fremde, zärtlich für Eingeweihte, gefährlich für die Ungeübten. Sie besteht aus Schwefelnebeln, vibrierenden Lauten, pulsierenden Sporen und tiefer innerer Absicht.
Ein Dvállunar summt einen Klang – und der Pilz öffnet sich.
Er flüstert – und die Wurzel verändert ihre Richtung.
Sie legt die Hand auf Gestein – und es wird weich wie Lehm.
Sie tun dies nicht mit Macht, sondern mit Anpassung. Die Welt folgt, weil sie gehört wurde.
Verhältnis zu anderen
Die Dvállunar verbergen sich nicht aus Angst, sondern aus Notwendigkeit. Ihr Klang ist nicht für alle Ohren gedacht. Doch sie wissen von den anderen – und erinnern sich.
Die Narfjarn sind ihnen nah in Erinnerung, fern im Wandel. Sie erkennen ihre Lýrahm, spüren ihre alten Töne – doch der Strom hat sie weitergetragen.
Die Samfólk und Nyfólk erscheinen ihnen zu schnell, zu hell, zu laut – als würden sie mit Feuer tanzen, ohne das Echo zu kennen.
Die Hexen von Lumovarde tragen fremde Töne – Dvállunar spüren ihre Kraft, aber auch die Dissonanz.
Philosophie
Die Dvállunar glauben nicht an Hierarchie, sondern an Zirkulation. Alles kehrt zurück. Jede Stimme hat ihre Zeit. Jedes Licht hat seinen Schatten.
Wissen, so sagen sie, ist Glut, nicht Flamme. Es darf wärmen, darf nähren – doch wehe dem, der es zu schnell entfacht.
Sie begrüßen sich nicht mit Händedruck, sondern mit Ton:
Ein Hauch auf den Kehlkopf, ein Summen, ein Satz wie ein Vers:
„Værr sýlh.“
Möge dein Klang tragen.