Der Zyklus der Empfängnis

Die Reise der Auserwählten – Der verborgene Zyklus der Empfängnis

Die Schwangerschaft bei den Hexen von Lumovarde ist kein gewöhnlicher biologischer Vorgang, sondern ein ritueller Akt, der tief in die Struktur ihrer magischen Gemeinschaft eingebettet ist. Es geht nicht um persönliche Liebe oder familiäre Bindungen, sondern um die Fortführung eines kosmischen Zyklus, in dem Ahnen wiedergeboren werden und ihre Essenz in einem neuen Körper weiterlebt. Wer auserwählt wird, eine Seele aus dem Ahnenstrom zurückzuführen, beginnt eine Reise, die weit über die bloße Vereinigung hinausgeht. Sie verlässt die Nebel ihrer Heimat und tritt in die Welt der Sterblichen, verborgen unter einer Maske der Normalität.


Die Erwählung – Wenn die Ahnen rufen

Nicht jede Hexe darf Mutter werden, denn die Geburt eines Kindes in Lumovarde ist kein willkürliches Ereignis. Die Ältesten des Zirkels beobachten die Strömungen des Ahnenflusses, lesen Zeichen in Visionen und deuten das Flüstern der Nebel. Sobald eine Seele bereit ist, zurückzukehren, versammeln sie sich in den heiligen Kammern und bereiten die Auserwählte auf ihre Reise vor.

Die Erwählte unterzieht sich dem Ritual der Inneren Stille, drei Nächte in völliger Dunkelheit, in denen sie mit der Seele des Ahnen spricht. Diese Verbindung ist nicht unmittelbar – sie muss lauschen, Zeichen erkennen, Fragmente vergangener Erinnerungen entschlüsseln. Erst wenn das Echo der Seele klar zu ihr spricht, erhält sie die Zeichenkette, ein magisches Amulett, das pulsierend reagiert, sobald die richtige Verbindung hergestellt ist. Abschließend wird ihr ein Nebeltrank gereicht, der ihre Aura abschirmt und es ihr erlaubt, sich unerkannt durch die Welt der Sterblichen zu bewegen.


Die Reise – Eine Hexe unter Sterblichen

Wenn die Zeichenkette übergeben wurde, verlässt die Auserwählte die Nebel von Lumovarde. Sie tritt in eine Welt, die ihr fremd ist, eine Welt ohne die Strömungen der Ahnen, ohne das Flüstern der alten Stimmen, eine Welt, in der sich die Menschen nicht bewusst sind, dass sie nur ein Teil eines viel größeren Kreislaufs sind.

Um unauffällig zu bleiben, muss sie ihre Gestalt verändern. Keine rituellen Gewänder, keine Symbolketten – stattdessen einfache Stoffe, die sie als wandernde Heilerin, Händlerin oder Gelehrte tarnen. Ihre Sprache wird angepasst, ihr Verhalten wird neutralisiert, ihre magische Präsenz unterdrückt. Niemand darf wissen, wer sie ist, denn ihre Aufgabe ist nicht die Begegnung mit den Außenstehenden, sondern das Auffinden eines Mannes, der tief mit den Strömungen der Welt verbunden ist.


Die Auswahl – Ein Partner für eine Wiedergeburt

Ein Kind der Wiederkehr kann nicht von jedem Mann gezeugt werden. Die Hexe sucht nach jenen, deren Essenz mit den verborgenen Energien von Lumovarde harmoniert. In Städten, Dörfern und einsamen Landstrichen beobachtet sie Menschen, sieht ihre Bewegungen, ihre Art, mit der Natur umzugehen. Diejenigen, die sich tiefer mit ihrer Umgebung verbinden, die unbewusst mit den Ahnen flüstern, sind jene, die sie sucht.

Einige Männer spüren ihre Präsenz ohne Worte und suchen sie auf, nicht aus Verlangen, sondern aus einem unerklärlichen inneren Ruf. Es gibt jene, die sich freiwillig anbieten, die sie in ihren Träumen gesehen haben oder die auf eine höhere Verbindung hoffen. Wenn die Zeichenkette beginnt zu pulsieren, weiß die Hexe, dass sich die Strömungen bewegen, dass die Ahnen bereit sind, durch ihn zu sprechen.

Es gibt keine romantische Werbung, keine Worte der Zuneigung. Die Hexe tritt in die Dunkelheit der Nacht, begleitet von den alten Zeichen, und vollzieht die Vereinigung mit dem Mann, der für diesen Moment auserwählt wurde.


Die Vereinigung – Ein Akt der Wiedergeburt

Der Akt selbst ist weder eine spontane Geste noch ein körperliches Bedürfnis – es ist ein Ritual, das über Generationen hinweg geführt wird. Während ihre Körper sich verbinden, ruft die Hexe die Ahnen zu sich, lässt ihre Energie durch das Amulett fließen und spricht die Flüstermarken, alte Worte, die den Übergang einer Seele aus einer Dimension in die nächste leiten.

Ein Schimmer durchzieht die Luft, die Schatten bewegen sich anders, die Energie pulsiert durch ihre Adern. Der Mann spürt etwas, das er nicht erklären kann, einen Moment, der über das Natürliche hinausgeht. Er ist ein Teil des Rituals, ohne zu wissen, dass es stattfindet.


Die Trennung – Eine Brücke, die nur einmal betreten wird

Am Morgen danach ist nichts anders, und doch ist alles verändert. Die Hexe bleibt noch eine Weile, bis die Strömungen in ihrem Inneren zeigen, dass die Wiedergeburt erfolgt ist. Sie verabschiedet sich ohne Abschied, verschwindet aus dem Leben des Mannes, ohne ihn jemals als Teil ihrer Welt anerkannt zu haben.

Die Väter haben keine Rolle in Lumovarde. Sie bleiben in der Außenwelt, ohne jemals zu erfahren, dass ihr Blut nun durch eine Wiedergeborene Seele fließt. Manche spüren es, ohne es zu verstehen. Es gibt jene, die ihr Leben weiterführen, ohne je zu wissen, dass eine Erinnerung an eine Nacht, die anders war als alle anderen, in ihnen bleibt.

Einige Männer versuchen, den Zirkel zu finden, getrieben von einem inneren Unbehagen, einem Gefühl der Leere, das sie nicht benennen können. Doch die Nebel von Lumovarde verschlucken jeden, der sich ihnen nähert, und diejenigen, die zu nah kommen, verlieren sich in Schatten, die sie nie wieder freigeben.


Die Rückkehr – Der neue Zyklus beginnt

Wenn die Hexe nach Lumovarde zurückkehrt, endet ihre Rolle als Mutter, denn ihre Aufgabe war nie die Mutterschaft, sondern die Wiederkehr einer Seele. Die Zeichenkette verliert ihre Kraft, das Amulett verblasst, und die Energie des neuen Lebens verbindet sich mit den Strömungen des Zirkels.

Die Geburt ist ein zeremonieller Übergang, der von den Ältesten überwacht wird. Das Kind wird nicht als neues Leben betrachtet, sondern als Zurückgekehrte Seele, die ihren Platz in der Gemeinschaft einnimmt. Der Vater bleibt außerhalb dieser Ordnung, denn er war nur eine Brücke zwischen zwei Welten, ein Moment des Übergangs, der nicht wiederholt wird.

Es gibt keinen Platz für ihn in Lumovarde, keine Bedeutung für seine Existenz in dieser Welt. Er war notwendig, aber nie Teil des Kreislaufs. Die Geschichte eines Vaters endet dort, wo die des Kindes beginnt.