Der Wald von Keloris
Gelegen im warmfeuchten Süden der Insel Keloris, bildet dieser uralte Wald das grüne Herz Aen Thalvoryns. Zwischen den südlichen Deltas und den zentralen Hügeln erstreckt sich ein Mosaik aus Nebelwäldern, Wasseradern und alten Bäumen, die Klima und Geist der Insel prägen.
Einleitung & Atmosphäre
Der südliche Wald von Keloris ist kein stiller Ort – er lebt, atmet und summt. Feuchte Luft trägt den Duft von Blüten, Erde und Salz. Nebel hängen in den Kronen wie träumende Schleier, und selbst das Sonnenlicht wirkt flüssig, golden, wandernd.
Die Tuath’vayra nennen ihn Vael’thorin, „das webende Herz“. In ihm berühren sich Himmel und Erde, Wasser und Geist. Wer diesen Wald betritt, spürt, wie Zeit und Richtung zu fließen beginnen – als wäre der Boden selbst lebendig.
Die Nebellichtungen
Diese Lichtungen bilden das vibrierende Herz von Feuchte und Licht – Orte, an denen der Nebel atmet, die Luft süß nach Moos und Blüten riecht und das ferne Tropfen von Wasser die Sinne weckt.
Im Zentrum des Waldes öffnen sich helle, feuchte Ebenen, wo der Nebel nie weicht. Warme Dämpfe steigen aus verborgenen Quellen, die Luft schimmert in feuchtem Licht. Zwischen Farnen und Lianen tanzen die Lysfaerne, winzige Leuchtwesen, deren Bahnen sich zu Zeichen verweben, die nur Eingeweihte deuten können.
Der Boden ist weich, von Moos und Blütenschatten bedeckt, und selbst das leiseste Geräusch scheint sich zu verlieren. Reisende berichten, die Lysfaerne stellten Rätsel aus Licht – Prüfungen, die den Respekt eines Wanderers vor dem Lebensnetz prüfen.
Gefahren: Unter der moosigen Oberfläche lauern tiefe Wasserlöcher, in denen sich Nebelwasser sammelt. Ein unbedachter Schritt genügt, um in lautlose Tiefe zu gleiten. Orientierung ist hier flüchtig – Kompass und Sonne verlieren ihre Richtung.
Das Flüstertal
Westlich der Nebellichtungen senkt sich das Land in ein langes Tal, überragt von riesigen, immergrünen Bäumen. Ihre Äste verweben sich zu einem Dach aus Wurzeln und Lichtadern, durch das nur gebrochene Sonnenstrahlen dringen.
Das Tal trägt seinen Namen wegen des beständigen Flüsterns – ein leises Rauschen, das klingt, als redeten die Bäume selbst. Manche Tuath’vayra sagen, dies sei die Stimme der Insel, die den Atem der Wanderer beantwortet.
Bewohner & Gefahren: Zwischen den gewundenen Wurzeln treiben sich die Trolle des Moors herum, kleine, rußgraue Wesen, die Stimmen nachahmen und Reisende zum Narren halten. Sie sind selten bösartig, aber launisch – und wer sie verspottet, kann Tage im Kreis laufen, bis der Wald ihn freigibt.
Der Kaskadenhain
Ein schmaler Pfad führt vom Flüstertal hinab, wo die Stimmen der Bäume im Rauschen des Wassers verklingen und der Boden in feuchte Steinterrassen übergeht.
Im Osten fließt der Wald über in ein Netz aus Wasser und Stein. Hunderte kleiner Wasserfälle stürzen über moosbedeckte Terrassen, die Luft ist erfüllt vom Klang fallenden Wassers und vom Gesang unsichtbarer Frösche.
Die Sonne bricht in silbernen Strahlen durch das grüne Dach, tanzt auf den Bächen und lässt das Blattwerk glühen. Hier jagen die Kråkevolf – geschmeidige, gefleckte Raubtiere, die lautlos zwischen Felsen und Wasserfällen lauern. Sie gelten als Wächter des Gleichgewichts: tödlich, aber nie verschwenderisch.
Gefahren: Die glatten Felsen unter den Kaskaden sind tückisch; schon viele sind im Rausch des Wassers gestürzt. Und in den tieferen Becken, so heißt es, leben Wasserwesen, die Wanderer mit spiegelnden Augen anblicken und in die Tiefe locken.
Das Schattenlaub
Im tiefsten Süden liegt der älteste Teil des Waldes – dicht, schwer und urtümlich. Hier herrscht Dunkelheit; Wurzeln winden sich über feuchte Erde, und zwischen den Stämmen glimmen Pilze wie mattes Licht. Die Atmosphäre ist drückend, zugleich ehrwürdig und still.
Die Vetruhr, uralte Baumgeister mit Runenleuchten in der Rinde, erscheinen hier. Sie bewegen sich kaum, doch wer ihnen zu nahe tritt, spürt eine Macht, die älter ist als jedes Wort.
Atmosphäre & Gefahren: Das Schattenlaub ist kein Ort für Hast. Geräusche verhallen, Zeit dehnt sich. Manche sagen, die Vetruhr prüfen jene, die das Herz des Waldes suchen. Doch wer unrein oder zornig ist, verliert sich – körperlich oder geistig – in der endlosen Dämmerung. Einige Pilze hier stoßen feinen, giftigen Staub aus; schon ein Atemzug kann Trugbilder wecken.
Die Klanggründe
Nördlich des Kaskadenhains öffnet sich der Wald zu sandigen Lichtungen, in denen exotische Bäume mit glockenförmigen Blüten wachsen. Wenn der Wind durch ihre Äste fährt, erklingt Musik – leise, schwebend, unirdisch schön.
Die Tuath’vayra glauben, dass der Wald hier mit den Winden spricht, und sie kommen in der Zeit des Erblühens, um die Lieder des Lebensnetzes zu singen.
Bewohner & Gefahren: Die Kråkevolf ziehen oft durch diese Lichtungen, begleitet von leuchtenden Insekten und flirrenden Vögeln. Doch auch Räuber finden hier Schutz in den Baumkronen, und der süße Duft der Blüten kann trügerisch sein – manche Pflanzen betäuben mit ihrem Pollen.
Das Herz des Waldes
Tief verborgen zwischen Nebeln und Hügeln liegt das sagenumwobene Zentrum – eine Lichtung, auf der der uralte Baum Ylfroot steht. Seine Krone trägt Flechten, die wie Lichtadern schimmern, und seine Wurzeln umarmen ein Becken aus reinem Wasser.
Für die Tuath’vayra ist Ylfroot die Verkörperung des Lebensnetzes – Ursprung und Ziel aller Dinge. Sie sagen, jede Wurzel Keloris’ führe letztlich hierher zurück.
Atmosphäre & Gefahren: Ylfroot strahlt Ruhe und Kraft aus, doch niemand erreicht ihn ohne Prüfung. Nebel, dichte Dornenhügel und lebende Wurzeln schützen den Ort. Fremde, die mit Gier oder Furcht kommen, verlieren den Weg. Wer jedoch mit offenem Geist wandert, findet Licht und Klang, die von innen zu sprechen scheinen.
Ein lebendiger Wald
Am Ende jedes Pfades hallt ein Gedanke der Tuath’vayra wider: „Wer den Wald betritt, trägt sein Echo hinaus.“
Der Wald von Keloris ist kein Ort, den man einfach durchquert – er verändert den, der ihn betritt. Seine Regionen sind wie Herzschläge eines lebendigen Wesens: Nebel, Klang, Dunkelheit und Licht folgen aufeinander wie Atemzüge.
Die Lysfaerne, die Trolle, die Kråkevolf und die Vetruhr sind Ausdruck desselben Geistes – Aspekte eines Waldes, der nicht getrennt, sondern verwoben ist.
Wer hier wandert, ist Gast. Der Wald beobachtet – und erinnert sich.
