Die Legion der schwarzen Hand

Die Legion der Schwarzen Hand – Ein Pakt aus Opfer, Ehre und Verzweiflung

Tief in den mythischen Überlieferungen Durvalkars wird von einer besonderen, düsteren Einheit erzählt, deren Geschichte ebenso tragisch wie heroisch ist: die Legion der Schwarzen Hand. Diese Legion, eine militärische Formation jenseits der üblichen Strukturen, ist nicht einfach nur ein Trupp Selbstmörder, sondern ein lebendiges, schmerzhaftes Denkmal des zwergischen Erbes und seines starren Kastensystems.

Die Ursprünge – Das Erscheinen des Steinahns

In den ältesten Aufzeichnungen über die Zeit nach dem Zusammenbruch der Prythanier spricht man von einer Epoche des Unheils, in der die Untotenströme aus der Bleichen Stadt (Die bleiche Stadt) stärker wurden. Die regulären Armeeeinheiten, die Kriegerkaste und selbst die angesehensten Schmiedekrieger konnten die Wellen der Skelette, Ghule und schattenhaften Kreaturen zwar zurückdrängen, aber niemals endgültig bezwingen. Es war eine stete, erschöpfende Verteidigung. Die Zwerge, ohnehin tief in ihren Kastengesetzen gefangen, fanden keine Antwort auf die Frage: Wer sollte den unendlich nachrückenden Feind für immer fernhalten?

Der Wendepunkt kam, so heißt es, als der Steinahn Baragin einer Gruppe von Kastenlosen in den Tiefen Vur Burims erschien. Ein Steinahn ist kein gewöhnlicher Ahnengeist, sondern ein besonders verehrter und weiser Urahn, der in der Traditionslinie der Zwerge herausragt. Steinahnen manifestieren sich in Visionen, Runenflüstern und seltenen Träumen. Baragin Steinahn war in den mündlichen Überlieferungen eine Schlüsselfigur der frühen Reichsentwicklung, ein erfahrener Krieger, der einst bei der Gründung erster Vur-Tunnel gegen Ungetüme des Untergrunds kämpfte. Seine Tugenden – Mut, Opferbereitschaft, unerschütterlicher Wille – galten seither als Leitsterne für unzählige Generationen.

Nun, in dieser Zeit der Not, soll Baragin Steinahn aus der Tiefe der Ahnenwelten heraus Kontakt gesucht haben. Er wandte sich an jene, die keine Kaste, keinen Ruf, keine Hoffnung hatten – die Kastenlosen. Denn gerade in ihnen erblickte er die Möglichkeit, das scheinbar Unmögliche zu vollbringen: den ewigen Kreislauf des verschmähten Lebens zu durchbrechen, indem sie sich in den Dienst des Reiches stellten. Ihnen bot er eine Absolution, eine Chance auf Ehre jenseits des Todes.

Die Gründung – Ein Opferpakt im Namen der Ahnen

Von dieser Begegnung aufgerüttelt, formierten sich die ersten Kastenlosen zu einer Einheit, die man später die Legion der Schwarzen Hand nannte. Der Name leitet sich von einem Ritual ab, bei dem jeder Rekrut seine Hand in einen Sud aus dunklem Erzpulver, Glutstaub und geweihten Kräuteressenzen tauchte, der angeblich von den Gelehrten nach Anweisungen der Ahnenmystiker gemischt wurde. Diese Tinktur hinterließ ein unauslöschliches, pechschwarzes Zeichen auf der Handfläche – ein Siegel, das für den Bund mit Baragin Steinahn stand.

Der Pakt war einfach, aber grausam: Die Legion sollte Khol Daral, Vur Khimyar und letztlich ganz Durvalkar vor den Untotenhorden der Bleichen Stadt (Die bleiche Stadt) schützen. Sie sollte in vorderster Front kämpfen, wenn die Untoten aus ihren Ruinen strömten. Jedes Mitglied wusste, dass dies ein Weg ohne Wiederkehr war. Doch es gab einen Lohn, der weit über das eigene Leben hinausreichte: Wer in der Legion der Schwarzen Hand kämpfte und fiel, durfte seinem Kind – ob bereits geboren, aber noch unmündig, oder noch ungeboren – die Aufnahme in eine Kaste erkaufen.

Die Rolle des Kastensystems und der Sinn der Legion

Für einen Kastenlosen, der am untersten Rand der Gesellschaft vegetierte, ohne Rechte oder Perspektiven, war diese Verheißung eine Erlösung. Der eigene Tod sollte das Siegel der Schande von der nächsten Generation tilgen. Ein Kind, das unter normalen Umständen in die gleiche Ausweglosigkeit gestürzt wäre, konnte durch das Opfer seines Elternteils in eine respektierte Kaste übergehen – beispielsweise in die Handelskaste, die Schmiedekaste oder sogar in seltenen Fällen die Kriegerkaste. Die Königstreuen Adligen mussten jede solche Adoption genehmigen, doch der Ruf der Legion der Schwarzen Hand war bald so hoch, dass kaum jemand wagte, das Geschenk der Ahnen für ein unschuldiges Kind zu verweigern.

Diese Konstruktion löste kein Problem fundamental, aber sie schuf ein Ventil. Die Legion übernahm die Rolle einer letzten, verzweifelten Verteidigungslinie. Gleichzeitig gab sie den Verzweifelten eine Ehre, einen Sinn. Im Kastensystem, wo Aufstieg unmöglich war, konnte man durch den eigenen Tod die Zukunft der Nachfahren retten. Der Steinahn Baragin wurde zum symbolischen Gründungsvater dieser Legion. Ob er wirklich in einer Vision erschien oder ob dieser Mythos zur Motivationssteigerung erschaffen wurde, bleibt im Dunkel der Geschichte verborgen – die Zwerge glauben jedoch fest daran.

Der Alltag in der Legion der Schwarzen Hand

Das Leben in der Legion der Schwarzen Hand ist kurz, hart und von Ritualen durchzogen. Die Rekruten erhalten keine luxuriöse Ausrüstung: einfache Rüstungen, jedoch zuverlässig geschmiedet von der Schmiedekaste, und Waffen, die mehr auf Zweckmäßigkeit als auf Prunk setzen. Die Legion ist kein pompöses Ordensheer, sondern eine verzweifelte Schlachtformation.

Die Ausbildung ist gnadenlos. Kämpfen gegen Untote erfordert Willenskraft, Mut und Entschlossenheit, denn die Gegner kennen keine Angst. Die Legionäre lernen, im Dunkeln zu kämpfen, Runenlichter zu nutzen, um Skelette aufzuspüren, und Strategien zu entwickeln, wie man Wellen von Feinden aufhält, bis Verstärkung eintrifft oder die Gänge verschlossen werden. Sie sind der Blitzableiter für den ersten Ansturm, das Schild, hinter dem das Reich Atem holt.

Die Ehre nach dem Tod

Fällt ein Legionär der Schwarzen Hand im Kampf, werden seine Überreste von speziellen Bestattungstrupps geborgen, sofern möglich, und mit hohen Ehren in einer eigenen Nische der Ahnenhalle beigesetzt. Er mag kastenlos gelebt haben, doch im Tod ist er ein Held. Sein Name wird auf Runensteinen verzeichnet, Priester der Ahnen tragen sein Opfer in die Chronik der Verteidigung ein, und vor allem: Sein Kind erhält von den Adligen die Urkunde zur Eingliederung in eine Kaste. Die Auswahl der Kaste richtet sich nach bestehenden Kontakten, Fähigkeiten des Kindes (sofern erkennbar) und den Bedürfnissen des Reiches. Häufig bemühen sich Gelehrte und Händler darum, besonders talentierte Nachkommen aufzunehmen, um deren Potential für Durvalkar zu sichern.

Diese Transzendenz einer ganzen Blutlinie, vom Nichts ins geordnete Kastengefüge, ist ein Wunder, das nur durch den Pakt mit dem Steinahn Baragin möglich scheint. Die Legende besagt, dass Baragins Geist jedem Legionär zur Seite steht, wenn sein letztes Stündlein schlägt, und dessen Mut für immer in die Tiefen der Ahnenwelten einwebt.

Wandel und Beständigkeit

Über die Jahrzehnte und Jahrhunderte hat sich die Legion der Schwarzen Hand als Institution in Durvalkar etabliert. Die strenge Ordnung des Kastensystems ändert sich dadurch nicht fundamental, aber sie erhält einen Riss, eine Art Hintertür. Manche Adlige sehen darin einen notwendigen Kompromiss, manche Gelehrte nennen es eine kluge Erfindung, um die Schwachen zu instrumentalisieren, wieder andere glauben an die göttliche Fügung der Ahnen. Für die Kastenlosen, die sonst keinerlei Hoffnung hätten, ist die Legion die einzige Chance, der Verdammnis zu entkommen – nicht für sich selbst, aber für ihr Blut, ihre Nachfahren.


Comments

Please Login in order to comment!