Die Legende von Liathar and Severyn
Liathar, die Mutter aller lebenden Dinge, und Severyn, die Herrin des Himmels, der Leere und des Todes, sind in den meisten Religionen Ilnors die Schwestern, die die Welt schufen, auch wenn sie viele verschiedene Namen tragen. Die Ahyl sprechen von Chriâ und Ethêra, in den Zungen der Xryalin heißen sie Mueenia und Becá. Aber in allen Völkern ist die Meinung über das, was geschehen ist, die gleiche. Darüber, dass Liathar, oder Chriâ oder Mueenia, beinahe ihre ewige Existenz aufgegeben hätte, wahrhaftig gestorben wäre, wobei die Gründe dafür je nach Kultur unterschiedlich sind. Und dass Severyn, oder Ethêra oder Becá, sie in den großen Baum von Ca'a Sed verwandelte, um ihr Leben zu retten. In der Geschichte der Waljal war es der Xryalin Saeculum, der ihr diese Möglichkeit darlegte, während die ahylischen Texte von der Lady Al'Caleth sprechen.
Eine weiterer Punkt, über den man sich allgemein einig ist, ist, dass es Liathar war, die das Leben schuf, aber Severyn, die dem „Licht“ die Form von Mond, Sternen und Sonne gab. Zudem war es Severyn, die entschied, dass das Leben nicht unendlich sein kann, und so gab sie allen lebenden Dingen das Geschenk des Todes, auch wenn der Glaube weit verbreitet ist, dass es sich dabei um eine Strafe handelte. Ebenso hat sie die anderen Sphären Ozzident und Sommnion geschaffen. Sie ist schweigsamer als ihre Schwester es je war, aber wenn sie spricht, faszinieren ihre Worte den Verstand und die Herzen aller, die ihrer flinken Zunge zu folgen vermögen.
Liathar war diejenige, die zuerst Gestalt annahm, um ihre Kinder all die wunderbaren Dinge zu lehren, die sie in ihrem Geiste erdacht hatte. Und sie hätte ihr Leben verloren, um sie zu beschützen. Damals blieb Severyn nur eine Möglichkeit, die darin bestand, ihrer Schwester eine neue Gestalt zu geben. Diese Gestalt war ein großer Baum mit goldenen Blättern und kleinen silbernen Blüten. Es ist eben jener Baum, der heute als „der große Baum von Ca'a Sed“ bekannt ist, da die Stadt Ca'a Sed um den grünen Krater herum wuchs, in dem der Baum erblühte. Denn der Baum hatte ein ganz eigenes Licht, das sich sehr von dem von allen Sonnen und allen Monden unterschied, die die Bewohner Ilnors je zu Gesicht bekamen. Es war nicht so golden, wie das der Sonne, nicht warm und einladend. Es war aber auch nicht silbern, wie das der Monde, nicht kalt und reserviert. Es war eine Art des Lichts, die sich tatsächlich von absolut allem unterschied, das irgendein sterbliches Wesen jemals zu Gesicht bekommen wird. Denn das Licht des Baumes war von einer ungreifbaren Natur, die kein sterbliches Auge in seiner Pracht hätte begreifen können. Es war zu schön, um mit den Worten jeglicher Sprache, die die Sterblichen zu sprechen vermögen, beschrieben zu werden. Zu erschreckend, als das jemand sich je getraut hätte, es zu versuchen. Das Licht war grundlegend anders, als alles, was jemals in Vivescire existierte und veränderte die Geister all jener, die es erblickten. Doch vor allem anderen, wohnte ihm der Geist Liathars inne, der auf alle übersprang, die das Licht betrachteten.
Es heißt, dass Severyn in jenen frühen Tage Cal'a Seds häufig den Baum ihrer Schwester aufsuchte, um ihren Rat zu erbitten, denn nun lag es an ihr, die Kinder ihrer Schwester zu behüten. Doch es lag nicht in ihrer Natur, das Leben zu wahren und so war Severyn ungemein besorgt um den Fortbestand Vivescires. Viele sprachen davon, dass sie in der Gestalt einer alten Frau am Fuße des Baumes saß und sang, in einer Sprache, die keine Ohren Vivescires jemals vernommen hatten und die von einer unnatürlichen und kalten Schönheit war, die einem zugleich eine Gänsehaut beschert und jedem die Tränen in die Augen treibt. Denn Severyns Lied war ein klagendes, dass sich gegen die Gräueltaten der Sterblichen richtete und gegen all das Unrecht, dass sie in der Welt erblickte. Sie weinte nicht, nicht um ihre Schwester, nicht um diese Welt. Sie weinte ein einziges Mal, aber das war viel später, lange nachdem ihre eigenen Kinder, die heute als die Schutzpatronen Ilnors bekannt sind, erwachsen waren und das Angesicht der Welt sich gewandelt hatte. Sie weinte und ihre Tränen zerschmetterten die vierte Sphäre. Sie weinte, als Othonor sie verriet. Sie weinte nicht wegen ihres eigenen Schmerzes, denn in ihrer unsterblichen Existenz empfand sie keinen Schmerz. Nein, der Grund für ihr Leid, war der Schmerz ihres Sohnes und der Schmerz, den er deshalb über andere brachte. Und so zerbrach sie die vierte Sphäre, in der Hoffnung, das Leid würde seinen Weg nicht nach Vivescire finden. Doch das hatte es längst, im Verborgenen war es gewachsen, hatte Hass und Misstrauen zwischen jenen gesät, die Magie nutzten und jenen, die es nicht taten. Als Severyn dies begriff, bannte sie die Magie der Elemente in die Urquellen Vivescires, die heute als die Quellen der Magie bekannt sind, und legte eine nie gekannte Dunkelheit über die göttlichen Magien. Zum Schluss schenkte sie den Nachfahren verschiedener Völker, die seit dem sich das Leid nach Vivescire ausgebreitet hatte, von den anderen Sterblichen Verachtet wurden, einen Namen und mit diesem Namen eine ganz eigene Art der Magie, die aber keine Art der Magie war, sondern eine Sprache, die von einer unnatürlichen und kalten Schönheit und die nur wenige Ohren Vivescires jemals vernommen hatten. Und mit dieser Sprache gab sie jenen, die sie Niseâ nannte, ihre unsterbliche Existenz, gab ihr Leben auf, um ein Volk zu schaffen, das aus allen Völkern geschaffen war, in der Hoffnung, sie würden das Leid beenden, das Othonor Vivescire und den Kindern Liathars beschafft hatte. Doch das taten sie nie. Dazu hatten sie nie die Möglichkeit. Bis zum heutige Tage.
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Author's Notes
Im Zuge meiner Vorbereitungen für das SC 2025 hat dieser Artikel einen neunen Anstrich bekommen und wurde stark erweitert, um die Legende Liathars und Severyns besser in das allgemein Bild von Ilnor einzubetten.