Tenebris

Tenebris' düstere, aber majestätische Erscheinung wird noch immer von einer Aura der Macht umgeben, obwohl diese viel zu lange schon Geschichte ist. Statt Prunk trägt er nun lediglich elegante, aber schlichte Gewänder, die eher an einen unauffälligen Bürger der Mittelschicht erinnern. Einzig ein uraltes Amulett, einst ein Symbol für Amt und Würde, deutet auf seine einstige Autorität im Orden und in der Stadt Raath hin.   Seine tiefschwarze Haut und stolzen Hörner verleihen ihm jedoch weiterhin eine imposante Präsenz. Seine Augen, einst von scheinbar roter Glut durchdrungen, waren ein Symbol für Weisheit und Macht. Doch heute ist dieses Feuer längst erloschen.   Über die Geschichte des ehemals Höchsten im Orden sprechen mittlerweile nur noch wenige Alte hinter vorgehaltener Hand. Wenn man sehr genau hinhört, mag man vielleicht noch mitbekommen, dass es eine Privatangelegenheit ist.   Für viele Mitglieder des Ordens ist Tenebris nur noch ein Mentor: Er ist für sie eine unerschöpfliche Quelle verschiedener Erfahrungen und hilft ihnen bei Problemen. Im Vergleich zu früher ist Tenebris jedoch nur noch ein Schatten seiner einstigen Tage: Vom Geschehen isoliert und abgeschnitten von den Machtkämpfen und Intrigen, die den Orden und die Stadt Raath durchdringen.   Doch für diejenigen, die sich zur rechten Stunde in den dunkelsten Winkeln des Archivs der Ordensbibliothek verbergen, können noch immer die Alten über Tenebris flüstern hören. Man muss sich jedoch gut verbergen und die Ohren spitzen, denn sie sind äußerst wachsam und sprechen nur leise. Selbst ihre geflüsterten Worte sind von mystischer Natur und müssen gedeutet werden.   Bislang haben nur wenige es geschafft, doch diesen wurde das Geheimnis um Tenebris zuteil.   Die unerwartete Enthebung von all seinen Ämtern war weit mehr als bloß eine private Angelegenheit. Tenebris sah sich mit ernsthaften Vorwurf gegenüber konfrontiert: Er habe den höchsten Auftrag der Stadt Raath grundlos abgelehnt und damit das Leben aller in Gefahr gebracht.   Vor beinahe einem Devos wurde Tenebris von den Mächten im Hintergrund, die im Mystischen Orden zu Raath herschen, aufgesucht. Er wurde beauftragt, für den Tod eines Geschichtenerzählers zu sorgen. Dieser war den Geheimnissen des Fluches und der Stadt zu nahe gekommen.   So nahe, dass er sogar mit den beiden Elfinnen sprach, die das Unheil über alle gebracht hatten. Doch dieser Geschichtenerzähler hatte versäumt, das Richtige zu tun: die Verräterinnen zur Strecke zu bringen. Seit diesem Verrat ist der Geschichtenerzähler auf der Flucht und konnte der gerechten Strafe entgehen. Vielleicht hatte er Glück, oder er wurde von den engsten Verbündeten der ursprünglichen Verräterinnen in der Stadt unterstützt.   Daher müsse der Geschichtenerzähle nun auf grausame Weise sterben. Sein Tod sollte als Mahnmal dienen. Auf die Frage des Namens wurde zu Tenebris erschrecken der Name seines ersten Schülers genannt: Elijot Hasslekin.   Fest in seinen moralischen Überzeugungen verwurzelt, lehnte Tenebris den Auftrag entschieden ab. Auf die Frage ob er sich sicher sei, verharrte er lange in tiefem Nachdenken. Sie hatten von ihm verlangt, seine Prinzipien zu verraten, und damit auch die Prinzipien des Ordens, den er mitbegründet hatte.   Trotz der eindringlichen Warnungen, dass er nur eine Chance habe, blieb Tenebris standhaft bei seiner Ablehnung.   Höflich bedankte sich der Gesante des Mystischen Orden zu Raath für Tenebris Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit. Ihm klar, dass jemand anderes den Auftrag übernehmen würde. Ab diesem Moment nagte die unheilvolle Ahnung an ihm, dass seine Entscheidung schwerwiegende Folgen haben würde.   Jahre später meldete man sich erneut bei Tenebris. Diesmal sollte er die Verantwortung für den tatsächlichen Tod von Hasslekin übernehmen. Doch Tenebris weigerte sich erneut, da er wusste, dass er nichts mit dem Tod zu tun hatte und die Tat verurteilte.   Man stellte ihn vor eine schreckliche Wahl: Entweder er übernahm die Verantwortung für den Tod von Elijot Hasslekin oder der gesamte Orden würde wegen religiösem Fanatismus angeklagt und exekutiert werden. Angesichts der drohenden Gefahr für seine unschuldigen Brüder und Schwestern brach Tenebris mit seinen Prinzipien.   Er gestand widerwillig den Mord und wurde umgehend aus Amt und Würden erhoben. Doch statt ihm einen fairen Prozess zu gewähren, erhielt er überraschenderweise eine Generalamnestie für seine Taten und wurde im kleinen Kreis als Held gefeiert. Daran zerbrach Tenebris endgültig.
Aufenthaltsort
Children

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