Nikolai „Balalaika“ Morozov
Geburtsort: Nowokusnezk, Sibirien, 2049
Kindheit – Der Koffer
Nowokusnezk war eine graue Industriestadt, voller Kohlenstaub und endloser Winter. In der Enge einer verrauchten Küche lernte der kleine Nikolai das einzige Licht seiner Kindheit kennen: die Balalaika seines Großvaters.
Der alte Mann spielte, während draußen der Schornsteinrauch den Himmel verdunkelte. Vor seinem Tod übergab er dem Jungen seinen abgenutzten Gitarrenkoffer. „Eines Tages wird er dich beschützen, Kolja.“
Der Koffer wurde zu Nikolais einziger Konstante – und blieb es bis heute.
Militär – Der Umbau
Mit 18 trat er in die russische Armee ein. Nicht aus Patriotismus, sondern um seiner Heimat zu entkommen. In den Spezialeinheiten wurde er bei einem Einsatz schwer verwundet – Splitter zerfetzten sein Auge, sein Rücken brach unter der Last.
Die Militärärzte flickten ihn zusammen – oder besser: sie bauten ihn um.
Cyberauge mit Thermo, Restlicht und Smartlink.
Cyberohren mit Filtern und Richtungsdetektor.
Siemens-Cyberspine mit Reflexbooster, um Nervenbahnen zu stabilisieren.
Muskelmods (Straffung, Verstärkung) für Kraft und Präzision.
Kompositknochen, damit er im Nahkampf härter zuschlagen konnte.
Aus dem Soldaten wurde ein Werkzeug. Ein Körper aus Fleisch und Stahl, geschaffen zum Töten.
Der Befehl – Der Bruch
2072, nahe der kasachischen Grenze. Die Nacht roch nach Rauch, als der Kommandant befahl: „Säubert das Dorf. Keine Zeugen.“
Nikolai sah keine Feinde, sondern Bauernfamilien. Kinder, die sich an ihre Mütter klammerten. Er hob sein Gewehr – und senkte es wieder.
„Это дети, а не враги.“ – „Das sind Kinder, keine Feinde.“
Er stellte sich schützend vor die Dorfbewohner, feuerte Warnschüsse, schoss eigenen Kameraden in die Beine. Chaos. Feuer. Schreie. Einige flohen, viele starben. Für die Armee war er Verräter. Für ihn war es das erste Mal seit Jahren, dass er wieder Mensch war.
Er wurde unehrenhaft entlassen – ein Mann voller Stahl, aber ohne Heimat.
Washington, D.C. – Schuld und Bezahlung
Über Schmuggelrouten der Vory v Zakone gelangte er nach Washington, D.C. Dort nahmen sie ihn auf – nicht aus Mitleid, sondern weil er ein nützliches Werkzeug war. Jede Modifikation in seinem Körper war eine Schuld.
Die Vory machten es ihm klar:
„Für jeden Nerv, für jeden Knochen, für jeden Tropfen Stahl zahlst du. Mit Blut.“
Und so zahlte er. Mit jedem Mord, den er im Auftrag der Mafia beging, tilgte er ein Stück seiner Schuld. Rivalen, Dealer, Unschuldige im Weg – jede Leiche war eine Rate, jeder Auftrag eine weitere Kerbe in seinem Gewissen.
Jahre vergingen. Schließlich, nach dem letzten Job, nach dem letzten Toten, den er erschießen musste, zogen die Vory einen Strich unter die Rechnung.
„Quitt.“
Nikolai war frei – doch der Preis war eine Schuld, die kein Geld je tilgen könnte.
Seattle – Balalaika
Heute, 2080, lebt Nikolai in Seattle. Er trägt noch immer den Koffer seines Großvaters – außen übersät mit Stickern aus Russland, Prag, Washington D.C., Seattle und alten Bandlogos, innen verborgen ein Sturmgewehr, ein Monoschwert, Granaten.
Wenn ihn jemand fragt, was drin ist, antwortet er mit unbewegter Miene:
„Meine Balalaika. Sie spielt nur traurige Lieder.“
Er ist ein Mann, gezeichnet von Krieg, Schuld und Metall. Einer, der alles getan hat, um frei zu sein – und der nun schwört, nie wieder zum Henker zu werden.
Sein Kodex ist einfach: Niemand wird zurückgelassen. Keine unnötigen Toten.
Doch er weiß: Schuld kann man nie ganz ablegen. Sie klebt wie der Staub seiner Heimat an ihm – und an jedem Sticker, der den Koffer ziert.