Der Tau der Götter

"Wir werden unfassbar reich.", jubelierte Sepp. Der sonst so gefasste und stoische Mann war heller kindischer Freude verfallen. In aufgeregten Bewegungen hüpfte er rings um das goldene Feld, das sich inmitten des Dschungels vor ihm und seiner Begleiterin aufgetan hatte. Sie vollzog ähnlich absurde Tänze, bevor sie auf die Knie fiel und ihr Gesicht in den goldenen Blättern vergrub. Lautstark sog sie die Luft ein: "das riecht ja köstlich."

Sepp stoppte seinen Tanz, räusperte sich einmal kurz und gewann seine Fassung zurück. Er kniete sich neben Palia und zückte das Messer, welches zuvor ihren Weg durch das Gestrüpp geräumt hatte. Behutsam setzte er unter einer der Knospen an. Die Pflanze zuckte unter der Berührung, beinahe lebendig und schien sich ein Stück zusammenzuziehen. Die goldenen Blätter verbargen die weiße Blüte im Inneren. Ein Runzeln fuhr über Sepps Stirn. Palia hustete einmal neben ihm.

Das Messer in seiner Hand blitzelte einmal schnell auf, durchtrennte den Stängel, während er mit der zweiten Hand die Blüte auffing. Die Farbe verblich nahezu augenblicklich. Der goldene Ton wich einem tiefen und bedrohlichen Schwarz, das Weiß im Inneren einem dreckigen und welken Braun. Palia hustete, lauter, zwei Mal hintereinander. Instinkt zuckte durch Sepps Verstand und er tat einige Schritte rückwärts.

"Palia?"
Ein Husten als Antwort, dann ein zweites und ein drittes. Sepp schleuderte die Blüte beiseite und trat noch weiter zurück. Das Husten wich einem schweren Röcheln. "Palia", diesmal brüllte Sepp und übertönte damit ihren nach hinten zuckenden Körper, der auf der Erde aufschlug und zu krampfen begann. Wo eben noch ihr wildes Lächeln zu sehen war, verschwand ihr Mund jetzt unter aufgedunsenem Fleisch und verquollener Haut. Ein stummer Schrei entwich ihm während der Boden unter den goldenen Blumen sich zu regen begann.

Der Tau der Götter, auch Ambrosia genannt ist eine legendäre Substanz, die aus einer Pflanze gewonnen wird, welche ausschließlich auf Boden wächst, welcher von einem Deitischen geweiht und von einem seiner höchsten Diener gefplegt wird. Im Kelch dieser wunderschönen Pflanze sammelte sich der Morgentau und bildete schließlich Ambrosia, ein Getränk, den Göttern würdig.

Inhaltsverzeichnis
a


Zeit der Götter

Es begab sich zur Zeit da die Deitischen noch Götter genannt wurden und ihr Dasein unter den Sterblichen auf Terria fristeten, dass ihre Tritte auf dem Erdboben fruchtbares Land hinterließen. Jenes fruchtbare Land erlaubte das Anpflanzen von allerlei Saatgut und nur die prächtigsten Pflanzen und Früchte gedeihten. Um das Land herum entstanden Siedlungen, Niederkünfte der Sterblichen, die jenem Gott huldigten, welcher ihnen ihr Land geschenkt hatte.

Selten, wenn der Glaube der Sterblichen besonders mächtig war, und ihre Pflege der Erde von Zuneigung, Liebe und Hingabe erfüllt war, keimte aus dem Dreck der Kelch einer goldenen Blume, gut einen Meter hoch. Und wenn der sanfte Tau des Morgens sich niederzulegen begann, spreizte die Blume ihre goldenen Blätter und offenbarte weiße Saat im Inneren. Diese zitterte in der kühlen Brise, erhob sich in die Luft und verschwand in der Ferne. Dort allerdings wo sie Platz gemacht hatte, strömte der Morgentau zusammen, zog die goldene Farbe aus den Blättern und bildete schließlich einen feinen Nektar.

Das Getränk der Götter

Die Geschichten erzählen, dass der Tau niemals von Menschenhand berührt werden dürfte, daher mussten die Sterblichen in gebetsartiger Ruhe rings um den Kelch verharren und wenn er sich dann irgendwann neigte, auch wenn es den gesamten Tag dauerte, fingen sie mit feinsten Gefäßen jeden einzelnen Tropfen auf. Berührte hierbei versehentlich ein Tropfen die Hand oder an anderer Stelle die Haut eines Sterblichen, so war dieser gezwungen, sich das entsprechende Stück seines Leibes zu entfernen und dem jeweiligen Gott darzubieten.

Brachte man dem Gott schließlich dieses Getränk, die reinste aller Opfergaben dar, so war es verhießen, dass die Gnade des Gottes für Wochen, manchmal gar Monate oder Jahre sicher gestellt war. Versuchten die Sterblichen jedoch ihren Gott zu täuschen oder versuchten sie gar zu vertuschen, dass ihr Körper das Ambrosia berührt hatte, so wurden sie gerichtet, ihre Siedlungen niedergebrannt und die göttliche Pflanze verwelkte unter dem flammenden Zorn, der das Land verschlang.

Fiktion und Realität

Wie viel Wahrheit in diesen Erzählungen steckt ist unklar, jedoch haben die Legenden nicht wenige dazu bewegt, sich aufzumachen und an den verborgensten Orten der Welt nach dem Ambrosia zu suchen. Seit die Götter im zweiten Zeitalter Terria hinter sich ließen und vor den Drachen in das Reich der Götter flohen, wurde das Ambrosia noch mehr zu einem Mysterium als es vorher war. Nicht wenige Könige und mächtige Herrscher schrieben Kopfgelder darauf aus die Substanz zu finden.

Trickbetrüger und Scharlatane behaupteten den Nektar gefunden oder hergestellt zu haben. Nicht wenige bezahlten für selbige Schwindeleien allerdings mit ihrem Leben, wenn das Getränk süß, salzig und gar bitter schmeckte und nicht nach etwas, das mit Sprache nicht beschrieben werden kann. Noch weiter befeuert wurde die Suche nach dem Tau durch die Legenden, die im Zusammenhang mit der Entdeckung der Energien entstanden. Wer Ambrosia kostet, der soll diesen Mythen nach, nicht nur den köstlichsten Geschmack der Welt erleben, er soll auch mit der Macht heiliger Energie gesegnet werden.

Eigenschaften

Seltenheit
Legendär

Verbreitung
Unbekannt

Geschmack
Unglaublich

Geschmack

Es gibt unzählige Erzählungen und Berichte über den Geschmack des Taus, welche umso mehr Fragen aufwerfen, wenn bedacht wird, dass die Sterblichen Ambrosia nicht kosten durften und die Götter wohl kaum ihre Erfahrungen mit ihnen teilen würden. Dennoch decken sich die meisten dieser Berichte. Der Geschmack des Taus wird als unbeschreiblich beschrieben, eine recht frustrierende Information. Wo der Geschmack allerdings nicht in Worte gefasst werden kann, kann das Gefühl durchaus ausgedrückt werden.

Da der Ambrosia meine Lippen berührte, verging die Welt um mich herum. Ich wirbelte durch Farben und Eindrücke, Gerüche und Geschmäcker, wie ich sie nie wahrgenommen hatte. Kälte und Hitze wiegten meinen geschundenen Leib gleichermaßen. Ich fing an zu weinen, da ich an den Tag dachte, da die Katze aus meiner Kindheit starb. Dann lachte ich, als die Erinnerung an einen schönen Tag mit meinem Vater zurückkehrte, den ich bereits vergessen hatte. Ich fühlte ein weiteres Mal den sanften Kuss, den meine Mutter mir auf die fiebrige Stirn drückte, wenn ich krank im Bett lag. Ich spürte den kraftvollen Griff meines großen Bruders, der mit mir durch unseren Garten tollte und mich zu fassen bekam. Freude, Hass, Zorn, Groll, Trauer, Neid, Elend, Euphorie. Alles prasselte ungebremst auf mich ein. Als ich Ambrosia trank, fühlte ich das Leben, in jeder einzelnen Fassette.


Jagd

Im Jahr 907 nBnZ. machten sich Sepp Schneider und eine Abenteurerin namens Palia auf den Weg in den Dschungel von Tscheplak, nachdem sie sich in Harmos getroffen und Gerüchte gehört hatten, dass eine Spur zum Ambrosia in den Tiefen des Dschungels von den ansässigen Fructi Pummili behütet wird.

In Begleitung eines Fructi namens Squah machten sie sich auf, um den Gerüchten auf den Grund zu gehen. Ihre Expedition zog sich aufgrund der Naturquellen über sechs Wochen, bevor sie schließlich das Ziel ihrer Reise fanden, ein Feld von goldenen Blumen. In ihrer Euphorie erlagen sie hierbei allerdings der Falle einer Kreatur, die sich als eben jenes Feld getarnt hatte und Palia mit einer giftigen Substanz infizierte.

Sepp gelang die Flucht knapp mit dem Leben. Allerdings führte dieses Abenteuer dazu, dass er seine Suche nach Schätzen und Legenden einstellte und sich stattdessen den Geschäften als Schmuggler zuwandte.


Cover image: by by CSor96 using Midjourney

Kommentare

Please Login in order to comment!