Als Leif sich schließlich, nach Luas Einladung, langsam in Bewegung setzte, bemerkte sie es sofort: Die Art, wie er sich bewegte, war nicht die eines unverletzten Mannes. Es war eine Schonhaltung, vorsichtig, kontrolliert. Jeder Schritt, jede Drehung war mit Bedacht gewählt, als ob er seinen Körper vor einem weiteren Schmerz schützen wollte. Auch als er sich schließlich auf den ihm zugewiesenen Platz am Kopfende des Tisches setzte, geschah das in einem ruhigen, fast ritualisierten Ablauf – kein schlichter Akt des Platznehmens, sondern eine kleine, stille Auseinandersetzung mit seinem eigenen Zustand.
Leif nahm sein Besteck zur Hand, betrachtete einen Moment lang das dampfende Gulasch vor sich, dann hob er das Glas, das Lua eingeschenkt hatte. Der Wein war tiefrot, kräftig duftend, und als er einen Schluck nahm, ließ sich ein echter Moment des Genusses nicht verbergen. Ein leises „Hm“ entwich ihm, begleitet von einem fast überraschten Nicken.
„Das ist gut. Wirklich gut,“ sagte er, sah zuerst zu Lua, dann zu Andeth, dessen Blick er für einen kurzen Moment hielt. „Danke.“ Es war ehrlich gemeint, und vielleicht war gerade diese Ehrlichkeit der gefährlichste Teil an diesem Tisch.
Er wandte sich wieder Lua zu, sein Ton blieb ruhig, beinahe nüchtern.
„Seit dem Duftenden Garten?“ Er schnaubte leise, fast so, als hätte er einen Witz im Kopf, den er lieber nicht laut sagen wollte. „Es war… ereignisreich.“
Er ließ das Glas sinken, die Finger lösten sich nicht sofort davon. „Das Gebäude macht große Fortschritte, jedenfalls das Wichtigste. Das Dach ist dicht, die Wände stehen, das Gröbste ist geschafft.“ Eine kurze Pause. „Ich habe mein Büro bezogen – es ist nicht viel mehr als ein kühler Raum mit einem Tisch, einem Stuhl und einer Kiste voller Papiere. Aber es ist mein Raum. Und das fühlt sich... gut an.“
Seine Stimme klang ruhig, doch Lua konnte hören, dass darunter noch etwas anderes lag. Etwas Ungesagtes. Dann fügte er hinzu – mit einem leichten Zwinkern, das den Ernst der letzten Tage kaum überdecken konnte: „Und der Blick auf den Hafen ist ganz passabel. Wenn der Wind richtig steht, riecht es sogar nicht nach Fisch.“
Er sah sie an, offen, dankbar für die Frage. Dann ein leiser Nachsatz, kaum lauter als der Duft des Gulaschs im Raum: „Aber der Weg dorthin war kein leichter. Nicht jeder hat Interesse daran, dass die Akademie ein Erfolg wird.“
Eine kleine Pause, bevor er, ohne die Stimme zu senken, weitersprach
„Ich hab gehört, was passiert ist.“ Er sprach es nicht aus, ließ keine Namen fallen, kein Mitleid in seiner Stimme – nur ruhige, ehrliche Anteilnahme. „Es tut mir leid, Lua. Wirklich. Ich war leider nicht in der Nähe als du mich gebraucht hast und ich sehe, dass dir etwas fehlt. Und wie du trotzdem hier sitzt, uns empfängst, ruhig bleibst – das ist… stark.“