BUILD YOUR OWN WORLD Like what you see? Become the Master of your own Universe!
Tue, Mar 25th 2025 02:49   Edited on Mon, Oct 27th 2025 10:59

[21.Tag, Mittag] Der letzte Weg

[Verwaltung] An den ehemaligen kaiserlichen Docks des Hafens wird seit den frühen Morgenstunden fieberhaft gearbeitet. Nahe am Wasser werden jahrelang getrocknete Holzstämme zu einem etwa eineinhalb Meter hohen Scheiterhaufen geschlichtet und die Zwischenräume mit Kleinholz und den duftenden Zweigen der Steinbeere gefüllt. Immer wieder wird mit Duftstoffen versetztes Lampenöl über die Stämme gegossen, damit sie sich langsam mit der brennbaren Flüssigkeit vollsaugen können. Sorgsam wird der Platz am Kai, der, solange Pelorn Residenzstadt gewesen war, nur dem Kaiser und der kaiserlichen Familie vorbehalten war, gesäubert und für die Trauergäste vorbereitet. Zwei Priester der heiligen Zwillinge beginnen anschließend den Platz auch spirituell zu reinigen, indem sie speziellen Weihrauch verbrennend, betend das Areal abschreiten. Gegen Mittag sind die Vorbereitungen abgeschlossen und die Arbeiter verlassen in Gruppen den Platz und die Zugänge werden durch Soldaten der Wachkompanie und der Leibwache gesperrt.  
Sun, Mar 30th 2025 10:11

Das Frühstück mit Andeth hat ihr gut getan. Nun ist es ja nicht so, dass er sie sonderlich zum Lachen bringt. Dazu ist er wohl auch einfach nicht in der Verfassung nach allem, das er in den letzten Tagen erlebt hat. Insbesondere die Episode mit jener Imeria-Furie, die sich Lua fast wie einen funkenspeienden Drachen vorstellt, mit einer narbenzerfurchten Fratze, schon vom Anschauen her ganz und gar furchterregend vor lauter Hässlichkeit, ist ja auch höchst traumatisierend. Aber es heißt ja, geteiltes Leid ist halbes Leid, und wenn die beiden auch nicht aus denselben Gründen leiden, tut es doch gut, auch Trost zu spenden und nicht nur auf Trost zu hoffen. Und so ist sie gar nicht einmal so schlechter Dinge, als sie zum Kleinen Palais aufbricht. Je länger sie jedoch geht, desto mehr rückt sich in ihr unbarmherzig der wahre Zweck der bevorstehenden Veranstaltung in den Vordergrund: Abschied nehmen, Abschied nehmen von einer außergewöhnlichen, liebenswerten, warmherzigen und großzügigen Person, die Lua so viel gegeben hat. Abschied nehmen ein für alle Mal, ohne jegliche Möglichkeit, die Person wiederzusehen, vielleicht bis zum Tod, vielleicht auch darüber hinaus. Und so ist sie den Tränen wieder äußerst nahe, als sie am Kleinen Palais eintrifft.   Was wohl die Leute sagen werden über sie, in ihrem hochgeschlitzten, rückenfreien, figurbetonten schwarzen Kleid? Es ist Lua egal. Sie denkt nur mehr an den Meister, und dass das Kleine Palais der einzige Ort ist, wo sie sein möchte.   “Die Zwillinge mit Euch,” grüßt sie also die Wache vor der Tür. “Ich bin Lua Aetaya, und ich würde gerne zur Trauerfeier für den Meister gehen.”
Thu, Apr 3rd 2025 11:19   Edited on Thu, Apr 3rd 2025 11:19

Offensichtlich ist Lua angekündigt, denn ohne jegliche Verzögerung wird sie von einem weiteren Soldaten ins Palais geleitet und in das ehemalige Arbeitszimmer Aurelians geführt, das der Kommandant für die Dauer der Vorbereitungen und die Durchführung der Trauerfeierlichkeiten in Beschlag genommen wurde. "Die Zwillinge mit euch.": sagt er bei Lua Eintreten. Für einen Moment mustert er sie, dann wendet er sich an den Soldaten. "Bringt mir einen der Ersatzumhänge für die Ehrengarde.": sagt er, um sich dann an Lua zu wenden. "So sehr Aurelian auch seine Freude an eurem Kleid hätte, die Tradition erfordert ein etwas dezenteres Auftreten bei dieser öffentlichen Zeremonie."   Der Soldat ist in der Zwischenzeit zurück und auf eine Geste des Kommandanten reicht er Lua einen schwarzen, fast bodenlangen Umhang, wie ihn zum Zeichen der Trauer die Ehrengarde für Aurelian trägt. "Ihr habt ein paar Minuten für euren persönlichen Abschied. Ich komme euch holen, wenn es so weit ist. Anschließend werdet ihr an meiner Seite mit dem Trauerzug zum Scheiterhaufen marschieren, so ihr das wollt.": sagt der Kommandant kühl und distanziert, wie man es von ihm gewohnt ist. "Bringt sie zum Patrikius!": befiehlt er dem Soldaten und verläßt den Raum, um nochmals die Ehrengarde zu inspizieren. Der Soldat führt Lua durch den Salon, der nur mehr triste Leere verströmt in das ehemalige Zimmer Elsis in dem Aurelian aufgebahrt ist. Er läßt Lua eintreten und schließt die Türe hinter ihr.   Im Gegensatz zur öffentlichen Aufbahrung trägt der Verstorbene auf der mit schwarzem Stoff drapierten Bahre statt der prunkvollen Gewandung wunschgemäß seine farbbefleckte Arbeitskleidung. Sein Haupt ruht auf seinem alten Farbenkasten und zwischen den gefalteten Händen stecken drei Pinsel. Sein Gesicht wirkt nicht zuletzt wegen der Schminke, welche die ersten Zeichen der beginnenden Verwesung überdecken, als schliefe Aurelian.    
Thu, Apr 3rd 2025 11:44

Wohl setzt Lua sich eines jener so süßen, so gewinnenden Lächaln auf, als sie der Kommandant so freundlich begrüßt, dies verschwindet jedoch alsbald, als der dann weiterspricht. Sie wird ernst, schaut ihn an, wird rot im Gesicht.   “Es tut mir leid, Kommandant,” antwortet sie reichlich betreten, “aber ich habe nur dieses eine schwarze Kleid, und ich wollte weder in Rot, noch mit Blumen behaftet hier auftauchen.”   So denn der Kommandant keine weiteren mahnenden Worte von sich gibt, wird sie also der Wache folgen, hin zu dem aufgebahrten Meister. Und gerade dieser Anblick trifft sie natürlich mitten ins Herz, ist diese doch der Anblick des Meisters gewesen, der ihr so gewohnt, so lieb geworden ist. Wie viele Stunden hat sie mit ihm verbracht, er mit einem Pinsel in der Hand, sie manchmal ganz, manchmal leicht bekleidet, manchmal ganz nackt, ohne sich jedoch nackt, ausgenutzt zu fühlen. Jederzeit bereit, jegliche Pose einzunehmen, gerade weil es der Meister jederzeit verstanden hatte, sie als Frau zu nehmen, als vollwertige Frau, und nicht als eines jener Geschöpfe der Gosse, über die ein Mann seines Standes hätte ohne Probleme tabulos verfügen können.   Kaum ist Lua allein, sinkt sie vor dem Meister in die Knie. Sie streift den Mantel von ihren Schultern. Zu dumm erscheint er ihr in diesem Moment der trauten Zweiseimkeit, auch wenn der Meister inzwischen wenig dazu beitragen kann. Aber einem Herrn gegenüber, dem man tagelang Modell für Aktbilder gestanden hat, ist jeglicher Mantel gar zu viel Makulatur, fast heuchlerische Prüderie. Ein letztes Mal nimmt sie seine Hand, küsst sie innig. Dann sinkt sie vor der Bahre zusammen, immer noch die Hand haltend, und weint leise vor sich hin. Und dies wohl so lange, bis sich jemand ihrer erbarmt, sie von dort wegholt und damit der Zeremonie zur Verbrennung der Leiche näher bringt.
Fri, Apr 4th 2025 11:31   Edited on Fri, Apr 4th 2025 11:31

Waren ein paar Minuten oder eine Stunde vergangen, als sich die Türe wieder öffnet und Reland eintritt? Lua kann es nicht sagen. "Kommt! Es ist Zeit:": sagt der Kommandant überraschend sanft und reicht Lua die Hand. Er führt sie hinaus auf den Korridor. "Wenn ihr dem Trauerzug folgen wollt, dann bleibt an meiner Seite. Die Tradition erfordert es, daß der letzte Weg wird schweigend zurückgelegt. Haltet euch bitte daran. Bis zu den kaiserlichen Docks kann jedermann dem Katafalk folgen, doch die Einäscherung selbst erfolgt nur im engen Kreis. Wenn ihr der Verbrennung nicht zusehen wollt, dann ist das der Moment um sich zu verabschieden. Wenn nicht, dann bleibt an meiner Seite. Seine Hoheit, Familie und die meisten Trauergäste werden nur zur Entzündung des Scheiterhaufens anwesend sein und sich dann zurückziehen. Ich bin als Vollstrecker Aurelians letzten Willens verpflichtet, bis zum Ende zu bleiben. Ihr jedoch könnt euch mit den anderen Trauergästen zurückziehen. Es wird euch niemand übel nehmen. Die Einäscherung ist kein angenehmer Vorgang. Habt ihr noch Fragen?": erkundigt sich der Kommandant mit zurückhaltender Anteilnahme statt der üblichen kühlen Distanz.  
Fri, Apr 4th 2025 01:00

Stumm lässt sich Lua aufziehen, nimmt den Mantel und legt ihn sich wieder um die Schultern. Stumm hört sie zu, nickt hin und wieder zum Zeichen, verstanden zu haben, einverstanden zu sein. Die Tränen versiegen, doch die roten Augen, die nassen Wangen bleiben. Es ist Lua egal. Obwohl der Kommandant zu ihr spricht, ist sie noch immer allein mit dem Verstorbenen, schaut auf ihn. Erst ganz am Ende, als der Kommandant seine Ansprache beendet hat, legt sie ihren Blick auf ihn. Sie schüttelt den Kopf, scheint schon, stumm zu bleiben, doch schließlich erhält Reland doch eine Antwort.   “Ich möchte bei ihm bleiben, bis ganz zum Schluss. Ich kann einfach nicht gehen, bis die Zeremonie wirklich ganz zu Ende ist,” antwortet sie mit leiser Stimme. Sie schließt die Augen, atmet tief durch.   “Lasst uns gehen!”
Sun, Apr 6th 2025 03:07   Edited on Sun, Apr 6th 2025 04:31

Reland legt ihr den Umhang um die Schultern und geleitet sie aus dem kleinen Palais hinaus auf den Vorplatz. Etwa zur gleichen Zeit erscheint im Haupttor der Residenz ein Soldat der Leibgarde mit der Seedrachenstandarte des Hauses Thornhoff, die zum Zeichen der Trauer mit schwarzen Bändern umwunden ist, gefolgt vom Salzbaron, seiner Familie und weiteren Verwandten in Schwarz, flankiert von Soldaten der Leibwache. Wie fast immer bei offiziellen Anlässen ist Kronett Tovales an der Seite des Salzbarons. In der Mitte des Platzes hält der Zug und richtet sich in einer Reihe aus, nur der Salzbaron mit seiner Leibwächterin tritt einen Schritt vor die Reihe der Trauernden. Reland bleibt jedoch mit Lua rechts vom Tor des kleinen Palais stehen. "Bleibt an meiner Seite.": sagt er leise zu Lua.   Da schneidet der rollende Klang eines gemessenen Trommelwirbels durch die Geräusche der belebten Prena, der in einen langsamen, getragenen Rhythmus übergeht. Drei Trommler in der Uniform der Leibwache marschieren im Gleichklang der Trommeln aus dem Tor des kleinen Palais, gefolgt von der Bahre mit dem Verstorbenen, die von sechs Soldaten getragen wird, denen sechs weitere Soldaten in langen schwarzen Umhängen folgen, die kurz nachdem sie das Tor passiert haben, ihre Positionen links und rechts des Katafalks einnehmen und als Ehrengarde Aurelian auf den letzten Weg geleiten.   "Kommt!": sagt Reland leise und schließt sich im Abstand von etwa ein dutzend Schritten Abstand dem Zug an. Im Vorbeimarsch schwenkt der Salzbaron mit Konett Tovales ein und folgen an der Spitze der Trauergäste dem Katafalk, während die übrigen Familienmitglieder und Verwandten sich hinter dem Kommandanten und Lua einreihen. Zwei Züge Leibwache flankieren die Trauergäste auf dem Weg zu den kaiserlichen Docks. Den Abschluß bilden weitere Soldaten mit Körben, die mit dem Blumenschmuck und den Papierblumen gefüllt sind, die von den Trauernden bei der Aufbahrung niedergelegt wurden. Akribisch wurden alle Blumen aufgesammelt, auch die Schäbigsten, da es heißt, daß jede Blume als gutes Wort gilt, wenn Roban der Gerechte über die Taten und das Leben des Verstorbenen urteilt.  
Tue, Apr 8th 2025 09:50

Still steht Lua neben dem Kommandanten. Ihr Blick schweift über das, was hier vor sich geht, doch scheint es, als würde sie schauen, ohne zu sehen, wahrnehmen, ohne zu verstehen. Es wirkt, als würde ein unsichtbarer Schleier auf der jungen Frau liegen. Als schließlich die Trommeln ihren ruhigen, gleichmäßigen Rhytmus zu verströmen beginnen, zuckt sie unweigerlich zusammen, scheint kurz unter diesem Schleier hervorzuschauen, nur um wenig später noch tiefer darunter zu verschwinden. Praktisch apathisch folgt sie nun an der Seite Relands dem Sarg. Wohl zieht diese Frau an der Seite des Kommandanten die Aufmerksamkeit der gaffenden Menge auf sich. Sie trägt den Trauermantel der Leibwache, doch keine Uniform. Sie steht wohl unter der Obhut der Wache, ist aber kein Mitglied davon. Sie ist zu wenig bekannt, um ein Mitglied des inneren Zirkels der Herrscherfamilie zu sein. Nun ist allseits bekannt, dass der Kommandant ein Verhältnis mit der Kornett hat, und niemals hat man etwas gehört, das für einen Bruch zwischen den beiden stehen würde. Wer ist also diese schöne Person, die sichtlich trauert? Eine Tochter des Patrikius, oder doch die neue Geliebte des Kommandanten? Nun, zu kurz ist Lua bei ihrem Meister gewesen, zu selten hat man sie gesehen, als dass sie als das erkannt werden würde, was sie wirklich war.
Der Weg bis zu den Docks ist nicht weit, doch im gemessenen Rhythmus des Trommelschlages bewegt sich der Trauerzug nur langsam die Prena hinab in Richtung Hafen. Viele, die im Spalier stehen, sind nicht zum Gaffen da, sondern erweisen dem Verstorbenen die Ehre. Wieder sind es viele einfache Leute, die nicht gekommen sind um zu sehen und gesehen zu werden. Bei vielen, die den Maler gekannt haben, ist es echte Trauer und einige haben Tränen in den Augen, als der Zug an ihnen vorbeizieht und sie mit einer Verbeugung Auris ihre Achtung erweisen. Bis hinab zum Zugang zu den kaiserlichen Docks zieht sich das Spalier. Doch dann verwehrt eine Postenkette der Wachkompanie den nicht geladenen Gästen den Zugang zu den Docks.   Immer noch schweigend erreicht der Zug den direkt am Okeanus gelegenen Platz, an dem der Scheiterhaufen errichtet ist. Die Soldaten, die den Platz abschirmen, nehmen Haltung als die Bahrenträger auf den Scheiterhaufen einschwenken. Schweigend und gemessen beten die Träger die Bahre auf den Scheiterhaufen, damit verstummt auch das Dröhnen der Trommeln. Nur das Schreien der Möven und das leise Plätschern des Wassers an der Kaimauern ist zu hören. Die beiden Priester verbrennen Weihrauch in Messinggefäßen und segnen den Verstorben für den letzen Weg. Familienangehörige des Herrscherhauses und die wenigen Gäste nehmen ein Stück weit vom Scheiterhaufen Aufstellung. Währenddessen überschütten die Soldaten mit den Körben den Verstorbenen, die Bahre und dem Scheiterhaufen mit den vielen Papierblumen und achten darauf, daß keine Blume auf dem Boden liegen bleibt. Als sich die Soldaten zurückziehen, flüstert Reland leise zu Lua: "Bleibt an meiner Seite." Für einen langen Moment verharrt alles in Schweigen, dann tritt der Salzbaron vor und begibt sich zum Scheiterhaufen und gibt ein Zeichen. Soldaten bringen ein Kohlebecken und zwei lange Pechfackeln, dann nickt der Salzbaron Reland zu, der sich an die Seite des Barons begibt.  
Thu, Apr 17th 2025 01:26

Es fällt Lua nicht schwer, der Anweisung des Kommandanten folge zu leisten, Stillschweigen zu bewahren. Was hätte sie auch schon sagen sollen? Sie wandelt neben Reland dahin, leise vor sich hin weinend. Sie bemerkt die Leute um sie herum nicht. Sie bemerkt die Wachen nicht, sie bemerkt nicht einmal den Salzbaron. Sie ist ganz bei sich, bei sich und dem Meister, dessen Hülle sich heute anschickt, die Hinterbliebenen zu verlassen. Fast apathisch nimmt sie also die Ermahnung des Kommandanten entgegen, an seiner Seite zu bleiben. Wieder wird es diesem nicht so richtig klar sein, ob die junge Frau ihn überhaupt gehört hat, ob sie verstanden hat.   Da kommt das Zeichen des Barons, und Reland tritt vor. Lua zögert. Hat der Kommandant wirklich gemeint, Lua solle an seiner Seite bleiben, auch wenn er zum Baron tritt? Oder wäre dies ein beispielloser Affront dem Herrscher des Hauses gegenüber? Wie groß wäre der Fauxpas, den Kommandanten alleine dort stehen zu lassen, und somit nicht nur den Baron stehen zu lassen, sondern auch den Meister? Kurz versiegen die Tränen, macht sich Ratlosigkeit auf dem fein geschnittenen Gesicht breit. Lua holt tief Luft, dann folgt sie dem Kommandanten. Sie will es eher darauf ankommen zu lassen, den Baron zu beleidigen als den Meister. Beim Baron könnte sie es ja, mit Glück natürlicherweise, gutzumachen imstande sein, wenn sie sich daneben benähme. Was den Meister betrifft, da ist dies aus leicht zu erklärenden Gründen ungleich schwieriger.
Mit einem kurzen Seitenblick vergewissert sich Reland, daß Lua ihm folgt. Der Blick, den die beiden Männer wechseln, zeigt deutlich, wie verbunden sie sich sind über die gemeinsame Trauer hinaus. Der Baron nimmt eine der Fackeln, hält sie in das Kohlebecken, bis sie sich entzündet. Dann tut es ihm Reland gleich. Die Fackeln sind sicher mehr als eineinhalb Meter lang. Für einen Moment verharren beide Männer stumm, dann sagt der Salzbaron laut und deutlich: "Wir werden dich nie vergessen! Jetzt fahre auf nach Beresant, Onkel!" Mit diesen Worten hält der Salzbaron die Fackel an den Scheiterhaufen. "Grüß mir Reana, alter Freund!": sagt der Kommandant so leise, daß ihn wahrscheinlich nur Lua gehört haben kann und stößt seine Fackel in den Scheiterhaufen. Mit einem leisen Knall entzündet sich das ölgetränkte Holz und die Flammen schlagen nahezu gleichzeitig an allen Seiten in die Höhe. Für einen Moment sieht es so aus, als ob das Feuer Auris zärtlich umarmte, bevor es knatternd und brausend in die Höhe schlägt und ihn einhüllt. Schnell wird die Hitze unerträglich und zwingt die kleine Gruppe ein paar Schritte nach hinten. Funken wirbeln die Höhe und einige der Papierblumen werden durch die heiße Luft nach oben gerissen, bevor sie sich entzünden, so als stiegen sie direkt zum Schloß über den Wolken auf.   Der Scheiterhaufen ist so aufgeschichtet, daß die Äste und Holzstücke im Inneren sehr schnell verbrennen und die Bahre mit dem Toten rasch nach unten fällt, wo sie von den Flammen umschlossen werden, die äußeren Stämme jedoch lange stehen bleiben. Als die Bahre mit der Leiche Auris in einem Funkenregen in das Zentrum des Scheithaufens stürzt und einen Funkenregen auslöst, ist der Zeitpunkt gekommen, an dem sich die Familie zurückzieht, nachdem sie mit einer letzten Verbeugung dem Toten nocheinmal die Ehre erwiesen haben. Zurück bleiben nur Reland, Lua, ein paar Soldaten und Bedienstete. Schon bedingt durch die Konstruktion muß man nicht zusehen, wie der Tote von den Flammen verzehrt wird, doch der all die Öle und duftenden Hölzer können den Gestank verbrennenden Fleisches nicht überdecken, der mit dem Rauch aufsteigt.  
Tue, Apr 22nd 2025 10:20

Kurz schluchzt Lua auf, als die beiden Männer den Scheiterhaufen in Brand stecken. Reland wird Lua wohl etwas zurückziehen müssen, denn wie gebannt schaut sie auf das Feuer, das den Meister verschlingt und auf die Reise in das Reich der Toten schickt. Und so ist ihr Gesicht auch gerötet, als sie schließlich wieder neben Reland steht. Sie steht regungslos, immer wieder bahnt sich eine Träne ihren Weg die Wangen hinab, schaut auf das Feuer, als würde dies eine Verbindung zwischen ihr und dem Toten darstellen, obwohl es doch eine unüberwindbare Barriere darstellen muss.   “Ich hoffe so sehr, Ihr könnt wieder in dem blühenden Garten spazieren,” murmelt sie schließlich, als die Familienmitglieder schon lange weg sind. Sie murmelt es so leise, dass wohl nur das geübte Ohr des Kommandanten es hören wird, so leise, dass er wohl kaum annehmen kann, dass es überhaupt für sein Ohr bestimmt ist.   Und so stehen sie da, während das Feuer langsam seine Nahrung konsumiert, sie stehen da, und nichts deutet darauf hin, als würde Lua dieses eigentlich beendete Ritual abbrechen wollen. Sie steht da, schaut in das Feuer, mit traurigem Gesicht, aber mit einem Blick voller Zuneigung, ja voller Liebe. Wenn nun mancher, der den Meister gekannt hat, wohl meint, Lua sei für Auris mehr als ein bloßes Modell zum Anfertigen von Aktbildern gewesen, so zeugt dieser Blick davon, dass es umgekehrt wohl nicht viel anders war.
Die Hitze der Flammen ist hoch und trotzdem dauert es eine geraume Weile bis der Scheiterhaufen in sich zusammenfällt und noch einmal so lange, bis das Feuer keine Nahrung mehr hat und erlischt. Vereinzelt glosen noch Glutnester, doch auch die verlöschen schließlich und erstaunlich wenig ist geblieben vom Körper Auris und dem Scheiterhaufen. Weißgebrannte Knochenstücke schimmern hie und da in der Asche, die Soldaten der Leibwache nun bedächtig in ein irdenes Aschegefäß und eine kleine Urne füllen. Die ganze Zeit über ist Reland unbeweglich in aufrechter Haltung an seinem Platz gestanden, doch nun setzt er sich in Bewegung. Gemessen begibt er sich zu dem Aschegefäß während sich die Soldaten formieren und Haltung annehmen.   Mit der offenen Urne schreitet er an den Rand des Kais und spricht dann die traditionellen Worte: "Deine Reise hat erst begonnen, mein Freund. Möge dich Anais in die Arme nehmen und dich sicher ins Land der Gesegneten geleiten. Hier lebst du in unseren Herzen fort, bis wir uns wiedersehen." Dabei schüttet er langsam die Asche in den Okeanus und versenkt dann das leere Aschegefäß. Als er sich aufrichtet und sich an Lua wendet, glitzern Tränen in seinen Augen. "Ich danke euch, daß hier mit mir ausgeharrt habt. Ich weiß, daß er es sich gewünscht hat und es nicht leicht gewesen ist für euch. Nun bleibt uns nichts mehr als ihn in unseren Herzen lebendig zu halten." Er nimmt die kleine Urne, die im Ahnenraum der Familie Thronhoff ihren Platz finden wird, aus den Händen des Soldaten. Damit geht auch der rare Moment zu Ende, indem der Kommandant erahnen hat lassen, was er wirklich fühlt. Scheinbar kühl und gelassen wie gewöhnlich, sagt er zu Lua. "Den Mantel behaltet bitte. Ich habe einen Mann abgestellt, der euch nach Hause eskortieren wird. Ich sehe euch morgen zur Eröffnung von Aurelians letzten Willen." Reland winkt einen Mann der Leibgarde zu sich.      
Sun, Apr 27th 2025 02:37

Lua lässt all die Rituale auch weiterhin über sich ergehen: Das Füllen der Urne, die Übergabe derselben, die Worte und Floskeln, die dabei gesprochen werden. Sie scheint dabei stets wie nur zufällig anwesend, ihr Blick ist die ganze Zeit auf den abgebrannten Scheiterhaufen gerichtet, bis ganz am Ende, als der Kommandant das Ritual abgeschlossen hat und sich nun wieder direkt und eindeutig an sie wendet. Sie nimmt den Mantel von ihren Schultern und reicht ihn dem Kommandanten.   “Mit Verlaub, Herr Kommandant,” erwidert sie, “aber was sollte ich denn mit einem Mantel der Leibwache tun? Ihr müsstet mich doch bestrafen, in dem Moment, in dem ich ihn trage. Und, um ganz ehrlich zu sein, ich bin nicht wegen Euch hier gewesen. Ich habe mich also mindestens ebenso viel bei Euch zu bedanken, dass Ihr mit mir so lange hier geblieben seid. Also, gehabt Euch wohl, mögen die Zwillinge über Euch wachen, bis wir uns morgen wiedersehen.”   Sie steht nun da, den Blick aus ihren großen, dunklen Augen tief in dem seinen, den Mantel in der ausgestreckten Hand, mit einem zaghaften, doch ehrlichen Lächeln um die Lippen.
"Behaltet ihn.": sagt Reland und weist den Mantel zurück. "Er ist kein Teil der Uniform, wird nur einmal getragen und verbleibt beim Träger. Ihr wart gewissermaßen Teil der Ehrengarde und somit steht er auch zu." Dann zeigt sich ein selten gesehenes Lächeln auf seinem Gesicht. "Ich weiß, daß ihr nicht meinetwegen hier wart. Aber es war mir ein sehr großes Anliegen, daß ihr Aurelian auf seinem letzten Weg begleitet. Deswegen meinen Dank." Doch als er sich dem Soldaten der Leibwache zuwendet, ist es aus seinem Gesicht verschwunden. "Geleitet die Dame nach Hause.": befiehlt er kühl und nickt dann Lua zum Abschied zu. "Die Zwillinge mit euch!": grüßt er und geht mit der Urne in seiner Rechten davon.