BUILD YOUR OWN WORLD Like what you see? Become the Master of your own Universe!
Sun, Feb 25th 2024 03:01   Edited on Sun, May 5th 2024 04:32

[12. Tag, Abends] Wer Wind sät...

Als Theomer Leifs Bruder und Vater verabschiedet hat, ist er sehr mit sich zufrieden und gähnt herzhaft. Die beiden hatten ihm wie vereinbart geholfen, beim Imeria-Lager so viel wie möglich einzukaufen und mit ihrem größeren Boot zur Brauerei zu bringen. So viel hätte er mit seinem kleinen Kahn nicht transportieren können. Sie hatten ihm noch geholfen, alles an der Anlegestelle abzuladen und sich dann verabschiedet. Als Fischer waren sie schon seit letzter Nacht wach und Theomer wollte sie nicht noch mehr beanspruchen. Die Vorräte in die Lager zu schaffen war mit einem Handkarren keine große Sache und konnte auch noch bis morgen warten. Er stapft von der Anlegestelle Richtung Brauerei, wo ein paar Decken auf ihn warten, die er sich nach diesem langen Tag redlich verdient hat. Er hätte nicht gedacht, dass Schreiben so anstrengend sein würde. Er überquert den Hof und nähert sich dem Tor zum Brauereigebäude, das plötzlich von innen aufgestoßen wird.     Stafan sieht aus, als hätte er eine Menge durchgemacht. Seine Hose ist dunkel von getrocknetem Blut und er hat sich anscheinend den Knöchel verletzt und hinkt. Aber seine Augen funkeln vor Wut, als er langsam auf Theomer zu kommt. "Jetzt kriege ich dich, du Bastard!', grollt er. Er hält in einer Hand ein Messer - anscheinend ein altes Brotmesser, dass so oft geschärft wurde, dass der Wellenschliff fast verschwunden ist - und in der anderen seinen berüchtigten Hammer.   "Ich hätte dir gleich am ersten Tag den Schädel einschlagen sollen. Ich hab sofort gewusst, dass du mir Ärger machen wirst!" Stafan schwingt sein Messer nach Theomer, aber der weicht mühelos aus. "Du hast den Löwen von Pelorn abgefackelt, du hast das Schiff versenkt, du hast diesen Gilad mit einem Hammer umgebracht und mir damit die verdammten Schlangenficker auf den Hals gehetzt!"   Theomer grinst Stafan an. Es ist ihm nicht nach Grinsen zumute, denn Gilads Tod war ein schrecklicher Unfall gewesen, aber er sieht, dass Stafan sich in Rage geredet hat und unvorsichtig wird in seiner Wut. "Gilads Tod war nicht geplant, ich musste improvisieren. Ansonsten hätte ich dir noch einiges mehr angehängt!"   Stafan macht einen schnellen Schritt und schwingt das Messer, aber sein verletzter Knöchel bringt ihn zum Taumeln und Theomer weicht wieder aus. Und tappt fast in die Falle, denn der erfahrenere Stafan hat sein Stolpern nur vorgetäuscht und statt um sein Gleichgewicht zu ringen, lässt er den Hammer in der anderen Hand auf Theomers Gesicht zurasen.   Aber Theomer setzt nun seine überlegene Körperkraft ein, packt die Hand mit dem Hammer in der Luft und hält sie fest. Über die andere Hand hat er in der Zwischenzeit den Schlagring gestreift und schmettert die so bewehrte Faust gegen Stafans Oberarm. Mit einem Aufschrei lässt der das Messer fallen und Theomer packt nun auch Stafans andere Hand   Theomer zieht die Hand mit dem Hammer nach unten und dreht sie hart um, bis auch dieser zu Boden fällt. In Stafans Gesicht malt sich Erschrecken ab und er versucht, zurückzuweichen. Aber Theomer hält ihn eisern fest.   Theomer ist kein filigraner Kämpfer, kein Duellant oder Meister mit dem Messer. Er ist ein Straßenkämpfer. Und wie ein Straßenkämpfer schmettert er nun seine Stirn in Stafans Gesicht. Einmal, zweimal. Mit einem Knirschen gibt Stafans Nase nach. Beim dritten Stoß lässt Theomer ihn los und Stafan stürzt zu Boden wie ein gefällter Baum.   Theomer bückt sich und nimmt das Messer an sich, dann blickt er auf seinen gefallenen Kontrahenten hinunter. Dann schlitzt er ihm mit einer geradezu beiläufigen Bewegung die Kehle auf. Stafans Augen weiten sich und innerhalb weniger Augenblicke ist es vorbei.    Eine Weile steht er überlegend da. Stafan hatte gesagt, dass die Schlangenmänner hinter ihm her waren. Das bedeutete, dass von seiner Bande vermutlich keiner mehr am Leben war und ihr Anführer immer noch gesucht wurde. Es würde vielleicht etwas Eindruck machen, wenn er ihnen den Gesuchten frei Haus liefern würde, wenn auch bereits tot. Theomer seufzt, dieser Tag wurde mal wieder länger und länger.   Er steigt achtlos über den Toten hinweg ins Brauereigebäude, dort im Lager würde er einen Handkarren holen, Stafan drauflegen und ihn dann wenn nötig quer durchs Imeria-Gebiet schieben, bis er ihn sozusagen öffentlichkeitswirksam jemandem übergeben konnte. Aber bereits an der Türschwelle bleibt er wie vom Donner gerührt stehen. Vor den Braukesseln lang ausgestreckt und leblos, die blonden Locken wie ein Strahlenkranz im Licht der untergehenden Sonne, die durch ein hohes Fenster fällt, liegt Herubrand. Seine Hemd ist zerrissen und blutig, mehrere Stichwunden verunzieren seine breite Brust. Mit einem Aufschrei stürzt Theomer nach vorne und fällt neben seinem Bruder auf die Knie. Er umfasst Herubrand und zieht ihn schluchzend an sich. Er lächelt immer noch sein unschuldiges Kinderlächeln, mit dem er vermutlich auch Stafan entgegengesehen hat, als er ihm das Messer in die Brust rammte.
Leif betrat die Brauerei mit einem Kopf voller Gedanken, nichtsahnend von dem Drama, das sich hinter den Toren abspielte. Sein Gesicht spiegelte die Anspannung wider, die das harte Leben eines Fischers in dieser erbarmungslosen Welt mit sich brachte. Die Luft war erfüllt von einem Gemisch aus Gerüchen, von frischem Bier bis zu Salzwasser und der mühsamen Arbeit auf dem Fischerboot.   Seine Schritte wurden abrupt gestoppt, als er Stafan leblos am Boden liegen sah. Verwirrung und Sorge überzogen Leifs Gesicht, und seine Augen suchten hektisch die Umgebung nach Antworten ab. Ein Schauer lief Leif über den Rücken, als er die dunklen Flecken auf Stafans Kleidung bemerkte und das glänzende Metall eines Messers neben ihm erkannte. Etwas war hier geschehen, etwas Schreckliches.   Ein Kribbeln der Unruhe stieg in ihm auf, als er zum großen Tor stürzte, um Theomer zu finden, dessen Name von der Brise getragen wurde. Das Bild, das sich ihm bot, durchzuckte Leif wie ein Blitz. Theomer kniete am Boden, Herubrands lebloses Gewicht in seinen Armen. Herubrand, der sanfte Riese mit dem freundlichen Lächeln, lag regungslos da, sein Leben abrupt beendet von unbarmherziger Gewalt.   Der Fischer konnte den Ausdruck von Trauer und Verlust auf Theomers Gesicht sehen, als würde ein dunkler Schatten über die Sonne seiner Welt ziehen. Ein Gefühl der Hilflosigkeit überkam Leif, während er Theomer betrachtete, der seinen Bruder umklammert hielt. Die Trauer lag schwer in der Luft, und Leif spürte, wie sein Herz sich zusammenzog vor Schmerz für den Verlust seines Freundes.   Schritt für Schritt näherte sich Leif Theomer, sein Verstand wirbelte in einem Strudel aus Fragen und Zweifeln. Was war passiert? Wer hatte das getan? Und vor allem: Wie konnte er Theomer in diesem Moment beistehen?   Als er schließlich neben Theomer stand, wagte er es kaum, ein Wort zu sagen. Die Worte blieben ihm im Hals stecken, und er konnte nur stumm dastehen, eine stumme Unterstützung inmitten des stürmischen Ozeans der Gefühle, der sie umgab.   Mit einem schweren Seufzer legte Leif behutsam eine Hand auf Theomers Schulter, ein stummer Ausdruck der Solidarität und des Mitgefühls. "Was ist passiert?" Leifs Stimme zitterte. Seine Hände fanden Halt auf Theomers Schultern, als er versuchte, die Worte zu finden, um das Unfassbare zu begreifen. Der Blick fiel auf Herubrand, dessen lebloser Körper eine stumme Geschichte von Gewalt und Verlust erzählte.
Mon, Feb 26th 2024 04:59

Noch bevor Theomer Leif antworten kann, gellt ein schriller Schrei durch die Halle. Theahild stürzt an dem Fischer vorbei und sinkt auf Herubrands anderer Seite auf die Knie.   Die Geschwister sehen sich trauernd an. Tränen rinnen über Theahilds Gesicht, keiner der beiden scheint Leif auch nur wahrzunehmen. Dann holt Theahild zitternd Luft und stößt hervor: "Das ist dein Werk!" Theomer zuckt wie unter einem Peitschenhieb zusammen. "Ich habe die Säcke mit Hopfen und Gerste gesehen", fährt Theahild fort. "Das war von Anfang an dein Plan: Das Transportschiff versenken und dann den Hopfen aufkaufen um die anderen Brauer in den Ruin zu treiben! Du hast Herubrand auf dem Gewissen! Und Gilad!!" Sie schreit ihre Anklagen förmlich heraus und steht wankend auf.    "Thea, ich...", Theomer steht auf, aber seine Schwester weicht entsetzt zurück. "Bleib weg von mir! Du bist schlimmer als Vater!" Sie geht langsam rückwärts auf die Tür zu. "Er war ein Säufer und Dreckskerl, aber du... du bist eiskalt!" Sie stößt gegen den Torpfosten und drückt sich mit dem Rücken dagegen. "Ich will dich nie wieder sehen!" Damit dreht sie sich um und rennt hinaus in die Nacht.   Theomer sackt neben seinem toten Bruder auf den Boden und bleibt eine ganze Weile reglos so sitzen. Dann stemmt er sich langsam in die Höhe. Zum ersten Mal scheint er Leif wahrzunehmen, aber für den Moment ist es ihm egal, dass der Kapitän Zeuge dieser Szene geworden ist. "Hilfst du mir?"   Gemeinsam schichten die beiden Männer im Innenhof der Brauerei einen Scheiterhaufen für Herubrand auf. "Ich kann ihn nicht in der Brauerei aufbahren und will es auch nicht in dem verfallenen Haus tun. Es käme ohnehin niemand zur Totenwache." Mit müden Bewegungen schlägt Theomer einen Funken aus seiner Zunderbüchse und beobachtet dann mit grauem Gesicht, wie die Flammen sich langsam ausbreiten und endlich hochlodern, um Herubrand zu umarmen. "Er kommt ganz sicher nach Beresant..." meint Theomer und lächelt traurig. "Er war so unschuldig wie frisch gefallener Schnee."   Als die Flammen hoch in den Himmel steigen, legt Theomer dem neben ihm stehenden Leif eine Hand auf die Schulter. "Ich danke dir, aber du musst nicht die ganze Nacht hier mit mir wachen. Was immer du von mir gewollt hast, wird warten müssen. Ich muss morgen Vormittag ins Skriptorium, aber wir könnten uns am Hafen treffen, bevor du ausläufst?"
Leif befand sich in einem emotionalen Sturm, als er die tragische Szene zwischen Theomer, Theahild und dem leblosen Körper ihres Bruders Herubrand miterlebte. Die Worte von Theomers Schwester schnitten wie scharfe Messer durch die Stille der Nacht, und der Schmerz, der in ihrem Blick lag, durchbohrte sein Herz wie ein eisiger Dolch. Doch trotz des Wirbels aus Verzweiflung und Trauer um ihn herum spürte er eine unbestreitbare Zuneigung und ein stummes Flehen in den Augen Theomers.   Als Theomer schließlich mit brüchiger Stimme um seine Hilfe bat, ergriff Leif sofort die Gelegenheit. Gemeinsam errichteten sie einen Scheiterhaufen für den verlorenen Freund und Bruder, ihre Bewegungen von einer unendlichen Traurigkeit und einem tiefen Gefühl des Verlustes erfüllt. Jedes Holzscheit, den sie auf den Scheiterhaufen legten, schien eine Erinnerung an die vergangenen Tage der Freude und des Lachens zu sein, die nun für immer verloren waren.   Die Flammen leckten hungrig nach dem Himmel, und Leif spürte, wie die Hitze seine Wangen rötete und sein Herz erwärmte. Ein bitterer Geschmack von Tränen stieg in seinem Mund auf, während er zusah, wie Herubrand im Feuer aufging, wie eine Fackel in der Dunkelheit. Theomers trauriges Lächeln durchdrang seine Seele und hinterließ eine schmerzhafte Leere in seinem Inneren.   Inmitten dieses emotionalen Strudels wurde Leif von inneren Konflikten geplagt. Einerseits fühlte er sich zutiefst mit Theomer verbunden und wollte ihm in dieser dunklen Stunde beistehen. Andererseits nagte der Gedanke an Theomers möglicher Involvierung an den Geschehnissen an seinem Gewissen. Doch Leif entschied sich dafür, seinem Freund bedingungslos zur Seite zu stehen, ungeachtet seiner eigenen Zweifel und Ängste.   Die Entschlossenheit, Theomer in dieser schweren Zeit beizustehen, war bewundernswert und zeugte von der Tiefe ihrer Freundschaft.   Leif nickte langsam, ein leises Versprechen in seinen Augen. "Theomer, ich werde dich heute Abend nicht alleine lassen. Wir werden morgen gemeinsam zum Hafen gehen." Seine Stimme war sanft und entschlossen zugleich, ein Ausdruck seines tiefen Mitgefühls und seiner bedingungslosen Unterstützung für seinen Freund in diesen dunklen Stunden. Und als die Nacht langsam voranschritt, begann der Himmel über ihnen zu funkeln, als würden die Sterne selbst trauern und ihre Tränen in Form von leuchtenden Sternschnuppen über die Dunkelheit vergießen. Es war, als ob die Welt selbst Leif und Theomer Trost spenden wollte
Wed, Feb 28th 2024 10:52

"Ich muss dir aber sagen, dass die Nacht nicht angenehmer werden wird", gibt Theomer zu bedenken und geht zu Stafans Leiche, die bis jetzt unberührt liegen gelassen worden war. Er steckt Stafans fallen gelassenes Messer ein und ein zweites, das einem Schlangenmann gehört haben muss. Dann klopft er Stafan prüfend ab, macht dann einen kleinen Schnitt am Gürtelsaum und findet fünf eingenähte Lamen, die er ebenfalls einsteckt. Dann lädt er Stafan auf einen Leiterwagen.   "Ich muss ihn zu den Jägern bringen. Sie werden ihn suchen und müssen erfahren, dass er tot ist." Er hebt die Deichsel des Leiterwagens und zieht an. "Am besten starten wir im Lachenden Zwilling. Dort wird man wissen, wo die Jäger sind und wahrscheinlich begegnen wir ihnen unterwegs sowieso."   Theomer nimmt nicht den direkten Weg. Leif bemerkt, dass er Umweg an Umweg heftet und seinen Weg um ein Vielfaches verlängert. Es dauert eine Weile, bis ihm aufgeht, was er tut: Er präsentiert Stafan. Immer wieder klappern Fensterläden, hört man Füße davonlaufen, manchmal kommen tuschelnd ein paar mutige Schaulustige gelaufen und spähen in den Leiterwagen, um einen Blick auf den Toten zu erhaschen.  Der Scheiterhaufen in der Brauerei hat die Leute wach gehalten und neugierig gemacht und während Theomer die Straße des Viertels langsam abläuft, verbreitet sich die Nachricht von Stafans Tod und auch ihm kommen die Erzählungen vom Ende seiner Bande zu Ohren.   Es ist spät Nachts, als sie am Zwilling ankommen und drinnen brennt noch Licht. Aber Theomer hat nicht mehr die Absicht, hinein zu gehen. Imeria würde auch so erfahren, wer Stafan beseitigt hatte: Theomer Haruland, der Arenakämpfer, der Bezwinger Gners, ein loyaler Diener Imerias hatte seine Pflicht erfüllt und Abschaum beseitigt! Als sie den Angaben der Schaulustigen folgen und den Ort erreichen, an dem Stafans Bande ihr Ende gefunden hat, bleibt Theomer stehen und sieht sich stumm um. "Bei den Zwillingen..." entfährt es ihm leise. Die Männer waren fürchterlich zugerichtet. Einigen war teilweise die Haut abgezogen worden, einige waren kastriert, allen fehlten einige Finger, Zehen oder Zähne, einige waren geblendet worden, alle waren sie gebrandmarkt, verprügelt, gepeitscht worden.    "Am Ende hatte Stafan sogar noch Glück...", meint Theomer bitter und zieht den Toten vom Leiterwagen, um ihn zu den anderen zu legen. Dann legt er Leif schwer eine Hand auf die Schulter. "Lass uns gehen. Das war genug für eine Nacht."