Síahla Koskrælin

Wenn Síahla einen Raum betritt, senkt sich eine unge­dachte Stille über den Ort. Gespräche stocken, Schritte verlangsamen sich. Ein Schatten – nicht ihr eigener – scheint unvermittelt zu fließen, und manchmal sieht man einen Raben, einsam oder in Gemeinschaft, der sich auf ihre Schulter setzt, als kennte er sie.

Síahla spricht leise, so leise, dass ihre Stimme mehr wirkt als Worte. Jedes gesprochene Wort wirkt geprüft, durchdacht, notwendig. Ihre Kleidung lässt niemanden aufmerken: Schwarz, einfach geschnitten, mit silbernen Stichen entlang der Nähte. Imkragen ihrer Kapuze schimmert ein gedämpftes Rot. Sie trägt keine religiösen Abzeichen, und doch ruht ihr Glaube – kalt, präzise, unerschütterlich – tief in ihrer Haltung.

Herkunft & Glaube

Sie wuchs in der Sekte Koskrælin auf – einer Gemeinschaft, die Kròsmar verehrt, Gott der Kontrolle. Ihre Kindheit war geprägt von Ritualen, Schuld und stummer Unterwerfung. Liebe hat sie dort nicht gelernt. Als sie spürte, dass ihr Geist ungehorsam war, beging sie Flucht – keine Rebellion, sondern ein Schweigen, ein Abwenden. Ylvette Haldras war jene, die sie führte. Niemand weiß, ob Ylvette Verräterin war oder Retterin – für Síahla aber war sie der erste Spiegel, der nicht brach.

Kròsmar blieb dennoch in ihr. Sie dient ihm, doch nicht aus Loyalität. Sie glaubt, dass die Welt nur durch geordnete Formen atmen kann. Chaotische Freiheit führt in den Zerfall. Ordnung ist zu verteidigen, egal wie kalt sie ist. Und so hört sie seinen Namen nie mit Andacht – aber mit Aufmerksamkeit. Ihre Bindung besteht, doch sie trägt sie genauso wie eine Last.

Magie & Bund

Als Klerikerin verleiht sie Ordnung dem Bösesten. Sie heilt nicht aus Empathie, sondern weil der Körper funktionsbereit sein muss. Dämonen bekämpft sie nicht aus Hass, sondern aus Pflicht. Ihre Liturgien sind Werkzeuge, keine Gebete. Doch dann geschah das Undenkbare.

Sie traf im Spiegel ein Fragment Kròsmars – nicht ihn selbst, sondern seine Intention, verdichtet und kalt. Sie schloss mit dieser Essenz einen Pakt, gab ihr einen Teil ihres Willens hin. Seitdem vermischen sich in ihr zwei Quellen: Ein geordneter Dienst und eine innere, impulsivere Macht. Die zweite Kraft lässt ihre Stimme tiefer klingen, ihre Augen schärfer glanzen – wenn sie sie nutzt, bleibt der Raum einen Moment stehen.

Trotzdem blieb sie ihrem Schwur treu: Sie hat einmal jemanden geschützt – weder Gott noch Gehorsam erfordert, sondern ihr eigenes Zutrauen. Aus diesem Augenblick trägt sie einen silbernen Faden ums Gelenk, ein Versprechen, das nicht in Stein gemeißelt ist, sondern in ihrer Haltung weiterlebt.

Nähe & Temperatur der Seele

Síahla wirkt oft kühl. Sie schweigt, beobachtet und ordnet. Doch wenn sie beginnt zu vertrauen, verändert sich etwas in ihren Bewegungen. Sie lauscht länger, ihr Spiel der Hände wird lockerer, und ihre Stimme trägt einen Hauch Wärme – tastend, fast ungewiss. Wenn sie handelt, legt sie sich zwischen jemanden und Gefahr – nicht weil sie es muss, sondern weil sie es will.

Sie lacht selten, doch wenn, dann leise und echt. Kein Blick auf das Gestell, sondern ein unerwarteter Lichtfunke. Sie sagt manchmal Dinge, die nicht witzig sind – aber Wahrheit enthalten. Und in diesen Momenten wird sie lebendig. Nähe ist für sie kein Luxus – sie ist ein Akt, den sie lernen muss. Und jeder Augenblick, in dem sie ihn wagt, ist ein Schritt mehr.

Heimliches Tun & Eigenheiten

Nächtlich wandelt sie durch Dörfer, wo zerbrochene Fenster, kranker Brunnen oder vernachlässigte Hofflächen am Morgen heil und still sind. Niemand weiß, was geschehen ist. Sie hinterlässt keine Nachricht – nur geordnetes Schweigen.

Schwarze Vögel, Krähen, Raben – sie scheinen Siåhla zu lieben. Sie folgen ihr, schweigen, setzen sich, bleiben. Sie spricht nicht zu ihnen – aber in ihrer Nähe ist sie anders. Als wären sie Spiegel eines vertrauenen Ich.

Musik berührt sie. Aber fröhliche Lieder lassen sie zusammenzucken, als sei darin ein hinterhältiges Versprechen. Melancholische Melodien bleiben ihr Tieferes, unverständlich, vielleicht unerreichbar.

An ihrer Kleidung trägt sie ein silbernes Schmuckstück ohne Stein. Niemand kennt den Ursprung. Sie hält es in Momenten des Zögerns. Manchmal wispern ihre Lippen dabei und verstummen gleich wieder.

Síahla hat nie gelernt zu lieben. Aber sie sehnt sich danach – nach Bindung, nach Berührung, nach Echtheit. Sie weiß nicht, wie man das beginnt. Doch sie wartet. Und hofft.

Drei Erlebnisse formten sie: Das Ascheritual, bei dem sie eine Linie in die Halle zeichnete; der Augenblick mit dem zersprungenen Spiegel, in dem sie ihrem eigenen Bild begegnete; und der Schwur, den sie aus freiem Willen sprach, um jemanden zu schützen. Seitdem schweigt sie manchmal dichter – und trägt ihr Versprechen sichtbar an einem Faden.

Wer mit Síahla zieht, spürt: Sie handelt nicht aus Vorsatz, sondern weil die Welt geordnet werden muss. Wer bei ihr bleibt, merkt: Sie heilt nicht, weil sie liebt. Sie kämpft nicht, weil sie glaubt.

Sie lebt ihre Pflicht. Und in den Ritzen ihrer Pflicht wächst Vertrauen.

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