Obsidrak
der Schwarze Erstarrer
Ein fernes Knacken, wie splitterndes Glas unter Druck, durchbricht die Stille. Aus der Finsternis erhebt sich vor euch ein Körper aus schwarzem Stein – schuppig, fließend, von Adern glühender Glut durchzogen. Wo sein Blick fällt, versteinert selbst die mutigste Kreatur. Der Geruch verbrannter Erde liegt in der Luft, und ihr spürt, wie eure Bewegungen schwerer werden – träge, als würdet ihr selbst zu Glas erstarren.
Überblick & Ursprung
Der Obsidrak ist eine urzeitliche Kreatur, geboren in den unterirdischen Druckzonen Isfjorrs, wo Magma und uraltes Gestein sich in Bewusstsein verwandeln. Er ist keine natürliche Lebensform, sondern eine Emanation der Erdseele Gardnars, die sich manifestiert, wenn das Gleichgewicht zwischen Feuer und Stein gestört wird. Man sagt, Obsidraken entstehen, wenn Vulkane schweigen, obwohl sie brennen sollten – wenn Energie nicht entweichen kann und sich zu Geist verdichtet.
Seine Anwesenheit gilt als Zeichen bevorstehender Umwälzungen, wenn das Land selbst zu atmen beginnt und sich auf etwas vorbereitet, das die Ordnung der Welt verändert. In Regionen wie Isfjorr oder den Tiefen von Frostvir wird sein Name mit Ehrfurcht ausgesprochen, da sein Erscheinen tektonische Veränderungen ankündigt. Jene, die ihm begegnen, werden Zeugen von Kräften, die weit über das Verständnis der Sterblichen hinausreichen.
Erscheinung
Der Obsidrak besitzt den Oberkörper einer gewaltigen Schlange, geschmeidig und biegsam, doch aus obsidianem Gestein geformt. Seine Schuppen wirken wie geschmolzene Spiegel, durchzogen von Linien flüssiger Glut. Darunter erhebt sich ein massiver Unterbau aus vier mächtigen Beinen, die sich in den Boden krallen wie ein Lebewesen aus Fels. Jeder Schritt lässt die Erde vibrieren, begleitet vom tiefen Dröhnen brechender Platten und dem widerhallenden Krachen splitternder Steine.
Diese Doppelnatur – serpentin oben, titanisch unten – macht ihn zugleich unnatürlich elegant und furchterregend stabil. Er ist gewaltig – sein Kopf allein so groß wie ein Streitwagen, sein Körper so lang wie ein Stadtplatz breit. Eine Krone aus obsidianen Zacken schmückt seinen spitz zulaufenden Schädel, und wenn er den Hals aufrichtet, erinnert seine Silhouette an eine gefrorene Flamme, die Licht bricht und Schatten wirft. Das Glühen seiner Adern pulsiert im Rhythmus der Erde, während ein stetiges, kaum hörbares Knistern die Luft erfüllt.
Verhalten & Instinkt
Obsidraken sind Wächter der Tiefe, nicht Jäger. Sie verweilen reglos über Jahrhunderte, verschmelzen mit Felsen und Höhlen, bis sie von Bewegung, Lärm oder Magie geweckt werden. Ihre Instinkte sind geologisch – sie reagieren auf Schwingungen, Druck und Temperaturveränderungen, nicht auf Geräusche oder Geruch. Die Präsenz lebendiger Wesen nehmen sie als Störung im Druckgefüge wahr – als Riss im Gleichgewicht, der ausgeglichen werden muss.
Wenn sie sich erheben, geschieht es mit einer Mischung aus animalischem Instinkt und tektonischer Würde: langsam, unausweichlich, unaufhaltsam – wie ein Vulkan vor dem Ausbruch. Sie zerstören nicht aus Zorn, sondern um Ruhe wiederherzustellen, und kehren in den Schlaf zurück, sobald die Erschütterung, die sie weckte, endet. Für Beobachter wirken ihre Bewegungen wie Antworten auf das Atmen der Erde selbst.
Kräfte & Einflüsse
Die Macht des Obsidraks verändert jede Umgebung, in der er erwacht. Sein Einfluss lässt Landschaften gefrieren, Flammen erlöschen und Höhlenwände zu Glas schmelzen – ein Gleichgewicht aus Erstarrung und Glut, das alles Leben zwingt, stillzuhalten.
Obsidianblick (magisch): Wer seinem Blick begegnet, riskiert, vollständig zu versteinern – nicht in gewöhnlichen Stein, sondern in gläsernen Obsidian, der Licht und Seele zugleich einfängt. Spieler können dieser Macht nur durch Spiegel, Runensymbole oder das Senken des Blicks entkommen.
Erdschwingung (physisch): Mit seinen vier Beinen kann der Obsidrak Druckwellen in den Boden senden, die Gebäude, Mauern oder selbst Zauberzirkel aufreißen. Frühwarnzeichen sind feine, rhythmische Vibrationen im Boden oder das Erzittern loser Steine.
Splitterbrut (kreatürlich): Bei jeder Verletzung lösen sich Splitter aus seiner Haut, die zu kleinen, halblebenden Kristallwesen heranwachsen. Diese Splitterlinge dienen als Wächter, Späher oder Nachkommen.
Hitzeverzehr (elementar): Die Umgebung verliert rasch Wärme; Flammen erlöschen, Magma erstarrt, Metall wird spröde – der Obsidrak wandelt Bewegung in Ruhe.
Spiegelform (arkane Reflexion): Seine Oberfläche reflektiert Magie wie Glas; wer ihn direkt mit Energie trifft, riskiert, dass der Zauber auf den Werfenden zurückschlägt. Magier berichten, dass sie ihr eigenes Flammenbild in ihm sehen, bevor der Zauber sich wendet.
Begegnungen
Man trifft ihn in den Basaltgruben von Frostvir, wo das Gestein brennt, aber kein Rauch aufsteigt, oder unter den schwarzen Eisplatten von Isfjorr, wenn die Erde unter Frost bebt, als wolle sie atmen. Auch in uralten Ruinen, deren Mauern zu schwarzem Glas verschmolzen sind, deuten Spuren auf einen ruhenden Obsidrak hin. Manche sagen, er erwacht, wenn zu viele Menschen in kurzer Zeit Metall in die Erde treiben – als ob die Welt selbst sich wehrt.
Ein fernes Grollen, das in den Tiefen widerhallt, oder das scharfe Glimmen von Adern im Gestein kündigen seine Regung an. Geschichten und Visionen warnen jene, die sich zu tief in die Erde wagen – ein Traum aus Feuer und Glas gilt als sicheres Zeichen, dass der Schwarze Erstarrer sich bewegt.
Spielleiterhinweis
Der Obsidrak ist keine klassische Gegnerfigur, sondern ein tektonisches Ereignis in Gestalt. Seine Stärke liegt in Präsenz und Einfluss, nicht in Bewegung oder Geschwindigkeit. Ein direkter Kampf ist meist sinnlos; stattdessen bieten sich Wege des Verständnisses: Runenrituale, Opferungen von Erz oder das Wiederöffnen verschlossener Erdlüfte, um seinen Zorn zu besänftigen.
Schon das erste Zittern des Bodens, die spiegelnde Schwärze einer Wand oder das Verklingen allen Feuers können auf sein Erwachen hinweisen. Erzählerisch kann sein Auftreten durch Visionen, flüsternde Steine oder das Verstummen ganzer Höhlen angekündigt werden. Spielleiter können die Begegnung mit atmosphärischen Elementen verstärken – dumpfes Grollen, eine plötzliche Windstille oder die schleichende Kälte verglaster Felswände. Der Obsidrak kann als zentrale Naturinstanz in einer Kampagne dienen: ein schlafender Gott, eine Grenze, ein Prüfstein für jene, die Macht unter der Erde suchen.
Symbolik im Lebensnetz Gardnar
Im Lebensnetz steht der Obsidrak für Verdichtung und Erinnerung – den Moment, in dem Energie aufhört zu fließen, um Gestalt anzunehmen. Er verkörpert das Prinzip des Widerstands, das alles Leben formt. Druiden nennen ihn „den Schmelzenden Wächter“, da seine Existenz immer zwischen Erstarrung und Erhitzung schwankt. In alten Schriften heißt es: „Wenn der Stein zu flüstern beginnt, hat der Obsidrak dich bereits gesehen.“
