Elnyra Skarduun
Kindheit und Werdegang
Elnyra wurde im westlichen Randgebiet von Isfjorr geboren, in einem der kleineren Dampfsiedlungen, wo das Schwefelmoos grünlich glimmt und die Luft stets nach Hitze und Verwandlung riecht. Schon als Kind war sie auffällig: unruhig, vorwitzig, mit einem Blick, der immer schärfer auf die Dinge gerichtet war, die sich bewegten, funkelten oder brannten. Andere Kinder sammelten Spiralmuscheln – Elnyra sammelte zersprungene Kristalle.
Ihre Mutter war eine ruhige Klanghüterin, ihr Vater ein Scherbenträger mit tiefem Hang zur Ordnung. Beide liebten sie, doch verstanden sie nicht. Sie nannten sie liebevoll "Feuerscherbe", als sei das genug, um das stetige Knistern in ihrem Innern zu bändigen. Früh zeigte sich ihre Affinität zu glasigen Reaktionen, zu dampfenden Versuchen und zu Klangformen, die knallten statt sangen. Während ihre Altersgenossen lernten, das Netz des Lebens zu harmonisieren, wollte Elnyra wissen, wie es sich verändern ließe. Und was passiert, wenn man daran zieht.
Prägungen und Wendepunkte
Der erste große Bruch kam mit fünfzehn, als Elnyra bei einem Ritual versuchte, das heilende Quellwasser mit einem selbstgefertigten Kristallkatalysator zu verstärken – und stattdessen einen dampfgetriebenen Ausbruch verursachte, der das Ritualbecken zum Bersten brachte. Die Ältesten riefen es eine Verirrung des Feuers, doch für Elnyra war es eine Offenbarung: „Wenn selbst das Wasser nicht mehr flüstert, sondern brüllt, dann habe ich es gehört.“
Kurz darauf verließ sie – gegen alle Regeln – das Tal, um in den verbotenen Steinwäldern zu forschen, wo alte, glasverkrustete Brüche aus der Urzeit klaffen. Dort, in der Hitze schweigender Lavaspalten, hatte sie eine Vision: Sie sah ein Netz aus glühenden Linien, das sich durch alles zog – nicht leise wie das Lebensnetz, sondern pochend, unregelmäßig, voller Risiko. Es war das erste Mal, dass sie ihre Resonanz nicht nur als Störung, sondern als Stimme begriff.
Zurückgekehrt, fand sie ihre Werkstatt durchwühlt, ihre Vorräte verstreut. Man hatte ihr Unruhe unterstellt – ein Wort, das bei den Narfjarn schwerer wiegt als jede Anklage. Ihr wurde nahegelegt, sich für eine Zeit aus dem Kreis zurückzuziehen. Doch Elnyra verstand: Nicht sie war fehl am Platz. Die Welt war zu leise für das, was in ihr klang.
Der Wendepunkt kam, als sie sich entschloss, zu gehen. Nicht aus Trotz, sondern aus Erkenntnis. Ihre Forschungen – inzwischen weit entfernt von reiner Heilkunst – waren zu gefährlich für einen Ort, der auf Gleichklang gebaut war. Sie wollte mehr. Nicht mehr nur dämpfen, sondern destillieren. Nicht nur wandeln, sondern entzünden. Ihre Alchemie war kein Heilen mehr – sondern ein Fragen mit Flammen.
Innere Triebfedern
Elnyra will wissen, was passiert, wenn man es doch tut. Wenn man den Spruch nicht abschwächt, sondern verstärkt. Wenn man den Kristall nicht poliert, sondern sprengt. Wenn man das Netz nicht bewahrt, sondern neu verknüpft. Sie sucht nicht nach Harmonie, sondern nach Struktur im Chaos.
Im Alltag zeigt sich das in ständigen Notizen, plötzlichen Abwesenheiten, seltsamen Fragen an Fremde – "Haben Sie je Glas singen gehört, während es zerbrach?" – und einer Unfähigkeit, Dinge einfach so zu lassen, wie sie sind. Sogar beim Kochen experimentiert sie. Es hat Konsequenzen.
Moral und Grauzonen
Elnyra glaubt an drei Dinge:
Veränderung ist unvermeidlich.
Zerstörung ist nicht das Gegenteil von Heilung.
Man darf fragen. Immer.
Doch sie kennt auch Grauzonen. Sie lügt, wenn es ihre Arbeit schützt. Sie hält Wissen zurück, wenn sie fürchtet, dass andere damit falsch umgehen. Und manchmal – nicht oft, aber doch – experimentiert sie mit Dingen, deren Wirkung sie nicht abschätzen kann. Dann trägt sie ihre Schuld in einem Schweigen, das ihr ungewohnt steht.
Nicht zuletzt fühlt sich Elnyra von den Geschichten über die Hexen von Lumovarde seltsam angezogen – jener verborgene Zirkel im Osten Isfjorrs, dessen uralte Riten und magischen Zyklen Leben, Tod und Wiedergeburt als untrennbare Kräfte eines größeren Gesetzes begreifen. Ihre Vorstellungen von Magie, fernab von Gut und Böse, sondern als Ausdruck eines übergeordneten Gleichgewichts, spiegeln Elnyras eigene Zweifel und Überzeugungen wider. Besonders die geheimnisvolle Magieform Vidveva, die die Hexen verwenden – eine alchemistische Kraft der Transformation durch Auflösung – hat es ihr angetan. Diese Form des Wandels, bei der das Alte zerfällt, damit Neues entstehen kann, fühlt sich für Elnyra nicht fremd an – sondern wie eine Schwester ihrer eigenen Resonanz.
Obwohl der Zirkel von Lumovarde als unzugänglich gilt und selbst die Grenzen des Ahnenstroms Fremde fernhalten, hegt Elnyra einen stillen Wunsch, eines Tages mit ihnen in Kontakt zu treten. Nicht aus Neugier, sondern aus tiefer geistiger Verwandtschaft – als gäbe es einen Ruf, der sie durch den Nebel leitet, durch den Dampf und das Schweigen der Wälder. Vielleicht wird sie sie nie erreichen. Aber der Gedanke daran brennt wie eine Flamme, die ihr den Weg weist.
Schwächen und Verletzlichkeit
Körperlich ist sie empfindlich gegenüber Kälte. Ihre feine Wahrnehmung, ihre ständige Arbeit mit Hitze haben sie anfällig für Frost gemacht. Sie friert leicht, zittert schnell und verachtet es zugleich.
Psychisch fürchtet sie die geistige Leere – das Gefühl, dass nichts Neues kommt. Stillstand ist für sie wie Tod.
Sozial ist sie unbeholfen, wenn es um Lob geht. Sie kann keine Anerkennung annehmen, ohne sie sofort zu relativieren. „Es war nur ein Versuch.“ „Ich wollte eigentlich was anderes.“
Widerspruch und Kontrast
Elnyra ist eine Heilerin, die Dinge explodieren lässt. Eine Sucherin der Harmonie, die das Chaos umarmt. Sie glaubt an Verbindung – aber oft nur nach dem Bruch. Dieser Widerspruch wird sichtbar, wenn sie inmitten heilender Rituale plötzlich innehält, weil sie "eine Idee" hat. Und manchmal, selten, ist dieser Impuls lebensrettend.
Beziehungen und Bande
Elnyras ehemalige Mentorin, Arvja Tísvorr, war eine Glasalchemistin alten Stils – vorsichtig, klug, wachsam. Ihre Beziehung zerriss, als Elnyra begann, explosive Strukturen zu testen. Arvja warnte sie. Und wurde ignoriert.
Ihr jüngerer Bruder, Linn, ist das Gegenteil: ruhig, resonanzstark, beliebt. Er liebt Elnyra, doch versteht sie nicht. Ihre Briefe liest er, aber antwortet kaum.
Und dann ist da noch der Fremde mit dem kupfernen Stab, der ihre Notizen las, ihr Fragen stellte, ohne zu urteilen – und ihr das erste echte Alchemiebuch schenkte, das nicht von Isfjorr stammte. Sie kennt seinen Namen nicht. Nur das Gewicht seiner Gegenwart in ihren Gedanken.
Stimme und Auftreten
Elnyra spricht schnell, mit seltsamen Betonungen. Sie verliert sich in Gedankengängen, bricht Sätze ab, fügt neue an. Ihre Hände bewegen sich beim Sprechen wie bei einem stummen Ritual.
Wenn sie nervös ist, zupft sie an den Rändern ihres Umhangs oder blickt zu ihren Fingerspitzen, als wären sie der Ort, an dem alles beginnt. Ihre Kleidung ist unauffällig geschichtet, aber voller versteckter Taschen, Glasperlen und dampfgedämpfter Stofflagen.
Geheimnisse und Sehnsüchte
Elnyra arbeitet heimlich an einer Substanz, die Klang fixieren soll – eine Mischung aus Kristallsplittern, Essenzen und Druck. Noch hat sie nur drei Proben. Eine sang fast.
Ihr ungestandener Wunsch: Einmal etwas erschaffen, das niemand ändern möchte. Etwas, das bleibt.
Elnyra als Abenteurerin
Als Alchemistin auf Abwegen wird Elnyra zur Verkörperung einer neuen Magieform: instinktiv, experimentell, poetisch-chaotisch. Ihre Verbindung zum Artificer – Alchemist zeigt sich nicht in Phiolen und Kolben, sondern in flüsternden Kristallformen, dampfenden Essenzträgern und seltsam vibrierenden Klanglinsen. Heilung ist für sie ein Prozess des Wiedererinnerns – nicht durch das Stillstellen des Schmerzes, sondern durch dessen Umformung.
Im Spiel nutzt sie ihre alchemistischen Fähigkeiten, um Substanzen zu erschaffen, die sich zwischen Heiltränken und unstabilen Resonanzbomben bewegen. Ihre Experimental Elixirs entstehen oft spontan, getrieben vom Moment. Unterstützt von ihrer Feuerresonanz, sind viele ihrer Kreationen auf Zündung, Auflösung und Transformation ausgelegt – sowohl im Kampf als auch im Zwischenmenschlichen.
Mit zunehmender Meisterschaft wird sie lernen, Klangmuster zu binden, Erinnerungen in Flüssigkeit zu fassen und selbst explosive Gemische gezielt einzusetzen, ohne alles zu gefährden. Ihre Faszination für die Magieform Vidveva der Hexen von Lumovarde – den alchemistischen Prozess der Umformung durch Auflösung – könnte ihr Wegweiser werden. Vielleicht wird sie einst jene sein, die diese fremde Strömung mit der Tradition der Narfjarn verbindet. Doch ihr Weg bleibt risikobehaftet: Denn für Elnyra ist jeder Zauber, jedes Elixier eine Frage. Und jede Antwort eine mögliche Explosion.