Arishta wartete, bis sie ein leises Schnarchen und einen weiteren ruhigen Atem vernahm. Neben ihr lag ein älterer Mann auf seinem Bauch, der seinen Arm über ihren Busen gelegt hatte. Auf der anderen Seite des Bettes lag eine zweite nackte Frau. Beide waren nach den Anstrengungen endlich eingeschlafen. Es roch nach Schweiß und dem abgestandenen süßen Duft von Patchouli und schalem Wein, der sich in der letzten Nacht im ganzen Zimmer verbreitet hatte. Es ekelte sie an.
Vorsichtig löste sich Arishta aus der Umklammerung und glitt unter dem seidenen Tuch des Lakens hervor. Die Nacht war fast vorüber, doch im Zimmer brannten noch immer ein paar Kerzen. Das Licht liebkoste ihren Körper. Ihr nackter Rücken war von Striemen gezeichnet, die sie unter ihrem langen braunen Haar verbarg. Sie schlüpfte in ein rotes leicht transparentes Kleid, was am Boden lag und versuchte wie viele Male zuvor, leise auf Zehenspitzen zur Tür zu gehen. Sie wollte den Mann und die andere Gespielin nicht wecken. Doch diesmal hielt sie inne.
Sie drehte sich um und entdeckte auf dem Tisch neben dem Bett einen kleinen Dolch. Die roten Rubine und gelben Dimanten auf Heft und Scheide funkelten im Kerzenlicht und bettelten sie an, es ein für alle Mal zu beenden. Sie kletterte vorsichtig auf das Bett und setzte sich auf den Rücken des Mannes. Beide schliefen tief und fest. Der Wein zeigte seine volle Wirkung. Im Kerzenlicht betrachtete Arishta das Gesicht des Mannes, was sich im Flackern in eine sabbernde Fratze verwandelte. Der Mann war unvorsichtig geworden und hatte wohl angenommen, dass er Arishta gebrochen hätte. Sie zog den Dolch aus der Scheide und ohne zu zögern, griff Arishta in die feuchten verschwitzten Locken des Mannes und stieß in des weiche Fleisch seines Halses. Dann führte sie die Hand der bewusstlosen Gespielin an das Heft des Dolches und zog ihn aus der Schlagader.
Arishta war erst 17 Jahre alt, doch die letzten zwei Jahre waren die Hölle gewesen. Sie sah zu, wie das Blut ihres Peinigers aus dessen Ader schoß und das Bett und die Frau besudelte - genau so, wie der Mann sie in den letzten zwei Jahren besudelt hatte. Es war schade um die Gespielin, aber Arishta und das Volk brauchten einen Sündenbock. Dann stieß sie eine Kerze um und der Vorhang am Bett ging in Flammen auf. Er, der Gottkönig des Feuers sollte für seine Sünden und für alles, was er ihr angetan hatte, bezahlen und von den Flammen seines Elements verzehrt werden. Sie sah, wie das Lodern auf das Bett übersprang und verließ leise das Zimmer, um in die Geborgenheit der schwindenen Nacht zu flüchten.
Sie hatte es für ihre Eltern getan, die vor zwei Jahren durch ungeklärte Ursache ums Leben kamen. Sie hatte es für ihre drei jüngeren Geschwister getan, für die sie die Verantwortung trug. Sie hatte es für ihr Land getan, dass er in den Ruin getrieben hatte. Sie hatte es für sich getan, um endlich frei zu sein. Genau das war es, was sie sich von diesem Tage an immer wieder ins Gedächtnis rief, um nicht an ihrem ersten Mord zugrunde zu gehen.
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