Móràz Ithéa - Sirene der Toten
"Hörst du das?"
"Hör ich was?"
"Diese Melodie? Als würde eine Spieluhr klingen. Es ist zauberhaft. Lass uns danach suchen!"
"Arai, komm schon. Ich hör nichts! Aber wir sollten vielleicht besser von hier verschwinden."
"Arai? - AAARAI! "Klingt es nicht wunderschön?" ....
Künstlerin im Leben und nach dem Tod
Die Feenelfen glauben, dass nur alle 500 Jahre ein wahres Genie geboren wird. Móràz Ithéa war eine von ihnen. Sie lebte im 2. Jahrtausend vor Ratsgründung und gilt als eine der größten Sängerinnen und Komponistinnen des Luftkontinents. Vielen Feenelfen ist sie besser unter ihrem Künstlernamen Razhea bekannt, was soviel wie Wohlklang in Altvimtésh bedeutet. Natürlich ist es nach über viertausend Jahren schwer zu sagen, ob die Geschichten über ihre Person wahr sind oder reine Legenden. Ihr Stimme soll klar, rein und sinnlich wie die einer Sirene geklungen haben. Ihre Kompositionen durchdrangen den Raum und konnten Dekore und Tapeten zum Leben erwecken. Ihre Gönner hielten es für eine von den Sternen verliehene Gabe - ihre Neider aber nannten es dunkle Magie.
Es heißt, Móràz Ithéa hätte, in der Hoffnung einst um eine so gewaltvolle Hymne des Himmels zu erschaffen und damit die Unsterblichkeit zu erlangen, so viele Stücke komponiert, dass sie dabei vergaß, zu schlafen, zu essen und zu trinken. Andere Legenden behaupten, sie hätte sich selbst so sehr in ihren Gesang verliebt, dass sie nie wieder aufhören konnte, zu singen und es noch heute tun würde. Es gibt sogar Aufzeichnungen über Feenelfen, die die Stimme oder eine Melodie der längst verstorbenen Razhea wahrgenommen haben und davon zu Tode erschreckt worden. Und dann gibt es noch die Legenden über Gegenstände, die von Razheas Geist in Besitz genommen wurden und noch heute die Feenelfen mit den komponierten Stücken in den Wahnsinn und Tod treiben würden. Viele halten sie für eine Rá Khúpà - einer dämonischen Geistersirene - die Feenelfen mit ihrem Gesang heimsucht, um sich an ihnen zu rächen.
Arai hatte den Klang einer Spieldose vernommen, die in einem der Zimmer des verlassenen Hauses stehen musste und begann sofort danach zu suchen. Es lockte ihn, rief ihn und klang immer lieblicher, je näher er ihr kam. Arai betrat das Zimmer, aus dem die Noten in sein Inneres drangen und entdeckte die bezaubernde kleine Spieldose, die auf der Kommode stand. Er öffnete den Deckel und eine kleine Feenelfe zupfte an einer Laute. Nun erklang hinter Arai das wunderschönste Lied, was er je gehört hatte. Langsam drehte er sich um und dann sah er sie - Móràz Ithéa, die Sirene der Toten. Gehüllt in einem prachtvollen orange-gelben Gewand schwebte der Körper des Geistes von einem roten Nebel umgeben, der sich wie Tentakel langsam im Raum verteilte, auf Arai zuschlängelte und an seiner Kleidung zog. Razheas schneeweißes und mit blutenden Strähnen durchzogenes Haar wand sich in der Brise um ihr Haupt wie ein Heiligenschein. Der Junge konnte nur die Augen der Sirene erkennen, der Rest ihres Geischtes war hinter einem roten Schleier verborgen. Neben der Sirene entrollte sich eine Schriftrolle, auf der kleine rotglühende Noten zu erkennen waren. Nun holte die Geisterfrau ihre Laute hervor und lüftete den Schleier, unter dem ein knochiger Mund hervorkamm, um Arais mehrstündiges Totenlied anzustimmen.
Erscheinung des Todes
Wie einst zu ihren Lebzeiten soll Razhea in kostspieligen langen Gewändern gehüllt sein. Ihr Haar ist schneeweiß und mit blutroten Strähnen oder kleinen Blüten durchzogen. Während die obere Gesichtshälfte an ihre ursprüngliche Schönheit erinnert, ist die untere Gesichtshälfte verdorrt, knorrig und mumifiziert, was sie unter einem Schleier verbirgt.
Einige Berichte behaupten, sie würde schweben und wäre von einem roten dunklen Rauch umgeben. Sie spricht nicht, doch wenn sie ihren Mund öffnet, könnte man die entweichenden Klänge als Schwingungen erkennen. Sie soll eine Schriftrolle mit ihrer letzten Komposition und eine Káshoun, eine Art Saitenintrument, mit sich führen. Gegenstände wie Spiel- oder Standuhren, Musikintrumente oder aufziehbare Puppen dienen ihr als Köder, um ihre Opfer anzulocken.
Nahrung des Todes
Sobald die Geistersirene ihrem Opfer gegenüber steht, hält sie es mit dem sich umgebenden Rauch gefangen, der sich in der Kleidung ihrer Opfer verhakt. Die Schriftrolle schwebt neben ihr und sie stimmt auf der Kàshoun ein Lied an. Das Opfer sitzt in der Falle, wie eine Fliege im Netz einer Spinne. Nun kann die Sirene mit ihrem Gesang die Lebensenergie heraussaugen, bis nur noch eine ausgedörrtes Gerippe zu Boden fällt. Das kann mehrere Stunden andauern.
Es ist möglich, eine Begegnung mit Móràz Ithéa zu überleben. Die Geisterfrau sucht jedoch vornehmlich alleinstehende Feenelfen jungen und mittleren Alters heim. Diese haben meist keine Familie oder Freunde. Um sich aus den tentakeligen Rauch befreien zu können, benötigt es aber solch einen Retter, weshalb diese Glücksfälle äußerst selten sind.
Seien sie also auf der Hut, wenn sie klingenden Gegenständen begegnen. Es könnten die letzten Töne sein, die Sie hören.


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