Deresa
Die Welt von Deresa war jung, noch ungeschliffen, ein Ort von wilder Schönheit und unermesslicher Gefahr. In jenen Tagen wandelten die Götter noch unter den Sterblichen, und ihre Kräfte formten Berge, ließen Flüsse strömen und Wälder wuchern. Doch das Pantheon der Götter war niemals frei von Zwietracht, und aus der Dämmerung des Himmels erhob sich ein Verräter: Malakarion, der Schattenbrand. Einst der Gott des Gleichgewichts und Hüter der Dunkelheit, verfiel er einem Hunger nach Macht, der selbst die Sterne verblassen ließ.
Es begann in einem Zeitalter, das nur die Ältesten der Völker noch in Mythen zu bewahren wussten. Malakarion, in seinem Stolz und Zorn, entzündete eine Flamme, die selbst die anderen Götter nicht zu löschen vermochten – die Flamme der Auslöschung. Mit dieser unheiligen Macht verzehrte er die göttliche Ordnung, entzog der Welt die Harmonie und zwang seine Geschwister in die Verbannung. Der Sturmbringer Seraphon, der ewige Brand Pyrakos, die Gezeitenmutter Thalassara und die Felsenschöpferin Erdaris – alle fanden sich vor der geballten Macht des Schattenbrands in die Flucht geschlagen. Deresa, die Welt, die sie einst gemeinsam geschaffen hatten, wurde Malakarions Reich. Doch es war keine Herrschaft des Wohlstandes, sondern eine des Chaos.
Die Natur selbst rebellierte gegen Malakarions dunkle Herrschaft. Wälder, die einst unter dem Schutz Erdaris’ gediehen, verdorrten und verwandelten sich in knorrige Ödnisse. Die Meere, die Thalassara gesegnet hatte, wurden wild und verschlangen ganze Küsten. Seraphons Winde, die einst sanft über die weiten Ebenen strichen, tobten in unbändigem Zorn und rissen die Himmel entzwei. Malakarion erkannte, dass er die Natur nicht kontrollieren konnte. Er konnte zerstören, doch die rohe Essenz der Welt widersetzte sich seiner absoluten Herrschaft. So schmiedete er einen Plan, einen Akt von sowohl grausamer Genialität als auch überheblichem Wahnsinn.
In seiner Leere der Ewigen Schatten, einem finsteren Zwischenreich, das nur er betreten konnte, schuf Malakarion einen Sohn – Ganarian, einen Halbgott, der die Macht seines göttlichen Vaters trug, jedoch auch mit der Essenz der Sterblichen durchzogen war. Ganarian wurde nicht aus Liebe geboren, sondern als Werkzeug. Er sollte die Welt formen, die Natur bändigen und eine Ordnung schaffen, die Malakarion nicht erreichen konnte. Doch der Schattenbrand war nicht ohne Boshaftigkeit. Ganarian wurde mit einem Fluch geboren, einem göttlichen Mal, das ihn an die Welt band und seinen Daseinszweck verdrehte. Für jedes Leben, das er schuf, für jeden Baum, der unter seiner Berührung erblühte, für jedes Volk, dem er Hoffnung brachte, würde er sich in eine Kreatur der Zerstörung verwandeln – den Drachen Nagarian.
Die Völker von Deresa, die damals kaum mehr waren als verstreute Stämme, kannten Ganarian zunächst als den Retter, den sie so dringend brauchten. Er wanderte durch die Ebenen, ließ Flüsse sprudeln und Wälder erblühen. Unter seiner Hand entstanden Orte von solcher Schönheit, dass die Sterblichen ihn als Gott verehrten. Doch Ganarian war sich seiner Natur nicht bewusst. Seine sterbliche Seite hielt die Wahrheit vor ihm verborgen, bis zu jenem Tag, an dem sein Körper unter der Last seiner göttlichen Essenz zerbrach.
Ganarian starb, nicht durch eine Wunde oder ein Gift, sondern durch die schiere Macht, die in ihm tobte. Seine sterbliche Hülle wurde zu Asche, und aus dieser Asche erhob sich Nagarian, ein Drache von solcher Gewalt, dass selbst die mächtigsten Bestien Deresas vor ihm flohen. Nagarian war das Gegenstück zu Ganarian. Wo der Halbgott schuf, zerstörte der Drache. Wälder, die unter Ganarians Händen erblüht waren, verbrannten in Nagarians Flammen. Berge, die Ganarian mit seinen mächtigen Schritten erhoben hatte, brachen unter den Klauen des Drachen zusammen. Es war eine Zeit der Verzweiflung, in der die Völker glaubten, die Welt würde nie wieder erblühen.
Doch Nagarian war nicht unsterblich. Die Völker Deresas, in ihrem Leid vereint, stellten sich dem Drachen entgegen. Die Noradim, Zwerge des Waldes, schmiedeten mächtige Runen, die sie auf Waffen und Schilde ritzten. Die Talathari, Menschen der Küsten, entwarfen Schiffe, die wie Speere über die Wellen glitten, und die Aelvarin, die Himmelselfen, brachten magische Sternenlichter mit, die sie aus den Höhen ihrer schwebenden Städte gesammelt hatten. Gemeinsam erschufen sie die Sternenspeer, eine Waffe, die das Herz des Drachen durchbohrte.
Als Nagarian fiel, geschah jedoch das Unfassbare. Die Flammen seines sterbenden Leibes verschmolzen mit der Erde, und aus ihnen erhob sich Ganarian erneut, unversehrt, doch gezeichnet von dem Wissen, was er als Drache angerichtet hatte. Die Wahrheit seines Fluchs offenbarte sich ihm. Für den Rest seiner Existenz würde er die Welt formen und nähren, nur um all seine Werke mit seinen eigenen Klauen zu vernichten.
Die Sterblichen waren ratlos. Wie sollten sie einem Wesen vertrauen, das sowohl Retter als auch Vernichter war? Doch Ganarian, in seiner unermesslichen Trauer, schwor, alles zu tun, um die Zyklen des Lebens zu verlängern und die Zerstörung zu verzögern. Er baute Flüsse, ließ Wälder gedeihen und schuf Städte, doch jedes Mal, wenn er starb, kehrte Nagarian zurück, und die Zerstörung begann von Neuem.
Die Jahre vergingen, und die Völker Deresas passten sich an. Sie nutzten die Zeiten des Wachstums, um ihre Städte zu stärken, und schützten ihr Wissen vor den Flammen des Drachen. Die Noradim zogen sich in tiefe Höhlen zurück, ihre Runenmagie formte unbezwingbare Schutzmauern. Die Talathari suchten Zuflucht in schwimmenden Städten, fernab der Reichweite des Drachen, und die Aelvarin verstärkten ihre schwebenden Bastionen, unerreichbar für die Klauen Nagarians.
Ganarian blieb ein ewiger Wanderer. Er wusste, dass er niemals bleiben konnte, niemals ein Zuhause finden durfte. Seine bloße Existenz war ein Fluch für die Welt, doch zugleich auch ihre Rettung. Die Mythen erzählen, dass er oft bei Nacht über die Hügel wanderte, den Blick zum Sternenhimmel gerichtet, als suche er dort oben die Antwort auf seinen Fluch. Doch keine Antwort kam. Nur die unermessliche Stille der Leere.
So bleibt Deresa ein Land, das gleichermaßen Leben und Zerstörung kennt, geschaffen von einem Gott und geformt von einem Halbgott, der niemals Frieden finden wird. Und in den Tiefen der Leere, so flüstern die Schatten, wartet Malakarion – nicht als Erlöser, sondern als stiller Zeuge des Kreislaufs, den er erschaffen hat.
In jenen fernen Tagen, als die Geschichte der Welt noch jung war und die Völker Deresas sich an die harten Lektionen des Überlebens gewöhnten, war die Welt eine rohe und unbarmherzige Lehrmeisterin. Von -3000 bis -2758 regierte die Ära der Festungen und Hoffnungen. Es war eine Zeit, in der die Narben des ewigen Zyklus von Schöpfung und Zerstörung deutlich sichtbar waren. Die einst vereinten Völker, die gemeinsam gegen Nagarian gestanden hatten, zogen sich zurück, um ihre Verluste zu zählen und ihre Wunden zu lecken. Hoffnung keimte, aber sie war fragil und musste in den verborgensten Winkeln der Welt gehütet werden.
Die Noradim, jene Meister der Runen und des Steins, errichteten „Kazmora“, eine mächtige Stadt, die tief in einem geschützten Gebirgstal lag. Diese Festung, gebaut im Jahr -2952, war ein Monument ihrer Handwerkskunst und eine Zuflucht vor den unbarmherzigen Kräften, die die Welt heimsuchten. Die gewaltigen unterirdischen Hallen Kazmoras, flankiert von Steinwächtern, die die Ahnen der Noradim darstellten, zeugten von ihrer Entschlossenheit, ihrer Kunst und ihrem Glauben an eine sicherere Zukunft. Nicht weit davon entfernt, in den weiten Küstengebieten, suchten die Talathari, die Seefahrer und Meister der Meeresströme, nach einem neuen Leben. Sie gründeten im Jahr -2894 die „Stadt der Gläsernen Gezeiten“, ein Kunstwerk aus Wasser und Stein, das durch ein Netzwerk magischer Kanäle mit dem Ozean verbunden war. Diese Stadt war nicht nur ein Symbol für den Stolz der Talathari, sondern auch ein Hoffnungsschimmer für ihre Kultur, die am Rande des Zerfalls stand.
Weiter nördlich, in den hohen Ebenen und den Ausläufern des Sturmwalls, erweiterten die Aelvarin den „Spiegeldom von Vyrassil“. Diese schwebende Struktur, die bereits im Jahr -3721 erbaut worden war, wurde im Jahr -2845 durch neue magische Energien aus den Winden des Sturmwalls verstärkt. Vyrassil strahlte wie ein Leuchtfeuer der Hoffnung für alle Völker und wurde zum Symbol der Magie, die immer noch tief in der Welt verwurzelt war. Doch während diese Werke Hoffnung spendeten, brachen alte Spannungen erneut auf. Misstrauen zwischen den Völkern wuchs, und die Konkurrenz um Ressourcen führte zu ersten Konflikten, die schließlich die brüchigen Allianzen zerrissen.
Die fragile Hoffnung der Ära der Festungen wandelte sich bis -2758 in die Zeit der Zerbrochenen Bündnisse. Der Verrat aneinander und das Misstrauen waren wie schleichendes Gift, das die Beziehungen zwischen den einst verbündeten Völkern zersetzte. Ganarian, der Halbgott und Wanderer, versuchte, das Band zwischen den Völkern zu erneuern. Er erschuf den „Wald von Lysariel“, einen magischen Hain, der als neutraler Ort gedacht war, wo Frieden gedeihen konnte. Doch im Jahr -2620, als Ganarian wieder zu Nagarian wurde, verbrannte der Drache den Wald in einem Anfall zerstörerischer Wut. Die Noradim, Talathari und Aelvarin machten einander Vorwürfe, und was einst Hoffnung war, wurde in einem Funken verbrannt.
Im Jahr -2625 entbrannte die „Schlacht um die Himmelssteine“. Diese Kristalle, die aus der Essenz Seraphons stammten, wurden von den Noradim für ihre Runenwerke und von den Aelvarin für ihre schwebenden Städte beansprucht. Der Konflikt dauerte Jahre und führte zu großen Verlusten auf beiden Seiten. Die Talathari, geschwächt und vertrieben, gaben schließlich im Jahr -2555 ihre Küstenregionen auf und zogen ins Landesinnere, wo sie versuchten, ihre zerbrochene Kultur wieder aufzubauen. Doch selbst diese Flucht konnte sie nicht vor den immerwährenden Zerstörungen Nagarians schützen.
Mit jedem Jahr, das verstrich, verblasste die Pracht der großen Allianzen. Die einst majestätischen Werke der Noradim, Talathari und Aelvarin begannen zu bröckeln, als die Zeit des Zerfalls zwischen -2501 und -2127 ihren Lauf nahm. Im Jahr -2439 fiel die „Flammenfeste“, das größte Bollwerk der Noradim, unter den Angriffen Nagarians. Ohne ihren mächtigen Schutz zerstreuten sich die Zwerge in kleinere Klans, die sich tief in die Berge zurückzogen. Die Talathari, deren Städte an der Küste durch ständige Angriffe zerstört wurden, verloren im Jahr -2321 ihre letzte große Siedlung. Ihre Überlebenden wanderten weiter ins Landesinnere und wurden zu den Vorfahren der Menschen. Für die Aelvarin kam der Niedergang im Jahr -2210, als ihre schwebende Stadt „Luthariel“ vom Himmel fiel, ihre magische Energie vom Sturmwall zerschmettert. Was von ihnen blieb, teilte sich in kleine Gruppen, die sich in Wäldern niederließen und zu den ersten elfischen Kulturen wurden.
Die Zeit der Urvölker ging zu Ende, und aus ihrer Asche erhoben sich neue Völker. Zwischen -2127 und -1700 begann die Geburt der heutigen Kulturen Deresas. Die Nachfahren der Noradim, nun Zwerge genannt, bildeten die ersten Klans in den Bergen und bewahrten das Wissen um die Runenschmiedekunst, auch wenn ihre großen Werke verloren gingen. Die Aelvarin-Nachfahren, die Elfen, errichteten Hainstädte und knüpften enge Verbindungen zur Magie der Natur. Die Nachkommen der Talathari entwickelten sich zu den ersten menschlichen Stämmen, nomadisch und abenteuerlustig. In den verbrannten Landen tauchten Orks auf, geformt aus den Überresten von Nagarians Zerstörung, ein Volk, das aus Chaos und Asche geboren wurde.
Während diese Völker wuchsen und sich entwickelten, verschwanden die Geschichten der alten Welt in den Nebeln der Zeit. Die Ruinen von Kazmora, die verbrannten Überreste von Lysariel und die letzten Steine von Luthariel wurden zu Orten des Flüsterns und der Legenden. Doch inmitten dieser Veränderungen wuchs eine neue Welt heran, die von Hoffnung, Mut und der Weisheit der Überlebenden geprägt war.
In den Schatten der gewaltigen Zyklen, die Ganarians Schicksal bestimmten, erhob sich Deresa langsam aus der Asche von Zerstörung und Leid. Es war die Ära der Frühen Gemeinschaften, die von -1700 bis -1200 währte. Eine Zeit des Übergangs, in der sich die Völker der Welt von den Narben der Vergangenheit erholten und begannen, erste Anzeichen einer neuen Ordnung zu formen. Noch waren die Tage von Instabilität und Unsicherheit geprägt, doch inmitten dieser Dunkelheit glommen erste Funken der Hoffnung auf.
Die verbrannten Lande, die Nagarian in einem seiner zerstörerischen Zyklen hinterlassen hatte, wurden zur Wiege eines neuen Volkes: der Drachenblütigen. Im Jahr -1695 begann ihre Geschichte, und wie so oft in den frühen Tagen von Deresa, war ihre Geburt mit Legenden umwoben. Manche behaupteten, dass sie aus der Asche der Drachenmagie und dem Willen der Elemente selbst entstanden seien, ein Werk der Natur, die versuchte, das Gleichgewicht wiederherzustellen. Andere sprachen von Kobold-Schamanen, die die Essenz eines Drachens mit sterblichen Wesen verbanden, um eine neue Rasse von Wächtern und Kriegern zu schaffen. Doch was auch immer ihr Ursprung war, die Drachenblütigen wurden ein Volk von mächtigem, aber unheimlichem Wesen. Ihre Clans lebten verstreut, und ihre drakonische Aura ließ sie gleichermaßen als Wächter und Bedrohung erscheinen.
Während die Drachenblütigen ihre Clans in der Wildnis organisierten, gingen die anderen Völker ihren eigenen Weg. Die Bergzwerge, Meister des Steins und der Runenschmiedekunst, schufen im Jahr -1678 die ersten Handelswege zu den Mondelfen, deren kunstvolle Artefakte und Schmuckstücke weit über ihre Wälder hinaus begehrt waren. Diese Handelswege wurden bald zu einem Symbol der Zusammenarbeit, auch wenn sich die Zwerge und Elfen in ihrem Stolz oft aneinander rieben. Geschichten wurden erzählt, wie ein einzelner Drachenblütiger einen zwergischen Handelszug vor einem Angriff von Kobolden rettete. Die Mondelfen, die das Schauspiel beobachtet hatten, hielten dies für ein Omen, dass die Drachenblütigen eines Tages eine größere Rolle in der Geschichte Deresas spielen würden.
Zur gleichen Zeit begannen die Halblinge, ein rein nomadisches Volk, ihre Wanderungen über die sanften Hügel Deresas. Im Jahr -1642 errichteten sie erste Karawanenpfade, die sie durch das Land führten. Ihre Geschichten sprachen von einem „Flüsternden Drachen“, der ihnen in einer dunklen Stunde den Weg gewiesen hatte. Ob dies tatsächlich ein Drachenblütiger war, der sich ihrer annahm, oder lediglich eine ihrer blumigen Erzählungen, bleibt ungewiss. Doch die Halblinge trugen diese Geschichte weiter und machten sie zu einem festen Bestandteil ihrer mündlichen Überlieferung.
Die Drachenblütigen selbst zogen sich oft in die Abgeschiedenheit zurück, doch im Jahr -1620 schlossen einige von ihnen im „Tal der brennenden Winde“ einen feierlichen Schwur: den Blutpakt der Drachenblütigen. Dieses Gelöbnis, niemals ihre drakonische Herkunft zu verraten und stets die Geheimnisse ihrer Clans zu bewahren, wurde von einem gewaltigen Ritual begleitet, bei dem Flammen emporstiegen und ein uralter Drachengeist am Himmel erschien. Es war dieses Gelübde, das die Grundlage für die strikte Clanstruktur der Drachenblütigen schuf, eine Struktur, die ihre Stärke und ihre Isolation gleichermaßen prägte.
Im Jahr -1601 begegneten die Waldelfen erstmals den Drachenblütigen. Diese Begegnung war geprägt von einer Mischung aus Ehrfurcht und Misstrauen. Die Elfen, tief verbunden mit der Magie der Natur, erkannten die urtümliche Macht der Drachenblütigen und respektierten sie. Doch auch Furcht schwang mit, denn die drakonische Kraft war unberechenbar. Geschichten über diese ersten Treffen erzählen sowohl von epischen Kämpfen als auch von gemeinsamen Festen, bei denen die Magie beider Völker in Harmonie miteinander verschmolz.
Während die Drachenblütigen ihre Clans stärkten, arbeiteten die Hügelzwerge und Mondelfen an der Errichtung der „Silberfeder-Straße“, einer Handelsroute, die ihre Siedlungen miteinander verband. Im Jahr -1577 übernahmen Drachenblütigen-Clans die Aufgabe, diese Straße zu schützen. Ihre imposante Erscheinung und ihre unüberwindbare Stärke hielten Räuber und Bestien fern. Im Gegenzug erhielten sie magische Artefakte und anderen Lohn, der ihre Clans stärkte.
Es war auch in dieser Zeit, im Jahr -1553, als die ersten Halbelfen geboren wurden. Diese Kinder, die von Elfen und Menschen abstammten, waren eine Neuheit, und viele betrachteten sie mit Argwohn. Doch ihre doppelte Herkunft gab ihnen eine einzigartige Fähigkeit: Sie konnten zwischen den Kulturen wandern und wurden bald zu Erzählern und Vermittlern, deren Geschichten die ersten Mythen formten, die in den Tavernen der jungen Menschenstädte gesungen wurden.
Mit der wachsenden Stabilität der frühen Gemeinschaften begann die Ära der Entdeckungen im Jahr -1200. Die Völker wagten sich aus ihren sicheren Siedlungen hinaus und entdeckten die Wildnis neu. Die Drachenblütigen, deren Clans oft abgelegene und unerforschte Gebiete bewohnten, spielten eine zwiespältige Rolle. Einige von ihnen halfen den Entdeckern, andere verteidigten ihre verborgenen Schätze mit aller Macht.
Ein bedeutendes Ereignis war die Gründung der „Fünf Pfade“ im Jahr -1184. Diese Handelswege, die von Elfen, Zwergen und Menschen gemeinsam errichtet wurden, verbanden nicht nur Siedlungen, sondern führten auch an heiligen Orten der Drachenblütigen vorbei. Einer dieser Pfade führte an einem gewaltigen Felsen vorbei, der als der „Drachenfelsen“ bekannt war, ein heiliger Ort der Drachenblütigen. Ein elfischer Barde soll ein Lied über die alte Macht der Drachen gesungen haben, das einen Drachenblütigen-Häuptling dazu bewegte, den Weg freizugeben.
Die Geschichte von Deresa setzte sich in dieser Ära fort, geformt von den wachsenden Königreichen, den Streitigkeiten und der Zusammenarbeit, die trotz aller Unterschiede immer wieder neue Hoffnung entfachte.
Mit dem Abschluss der Ära der Entdeckungen, jener Zeit der Erkundung und Verbindung, begann Deresa, sich in neue Bahnen zu lenken. Die Jahre zwischen -700 und -442 waren geprägt von Machtansprüchen, Bündnissen und Konflikten, und diese Zeit wurde als Ära der Herzöge, Könige und Kaiser bekannt. Es war eine Epoche, in der die ersten großen politischen Strukturen Gestalt annahmen und die Fundamente für die heutigen Reiche gelegt wurden. Während die Völker wetteiferten, ihre Macht und ihren Einfluss auszubauen, blühten Städte und Burgen auf, und mit ihnen wuchsen auch die Träume und Intrigen ihrer Herrscher. Doch wie immer, wenn Macht entsteht, war diese Ära nicht frei von Zwietracht und Krieg.
Im Jahr -687 wurde in der Region Brindorn, bekannt für ihre weiten Ebenen und die sanft geschwungenen Küsten, die Stadt Gulodon gegründet. Gulodon war von Beginn an als Handelszentrum geplant. Die Menschen, die diese Stadt errichteten, erkannten die strategische Bedeutung des Standorts, der die fruchtbaren Felder des Hinterlands mit den Handelsrouten der Küste verband. Binnen weniger Jahrzehnte wuchs Gulodon von einer Ansammlung von Holzgebäuden zu einer blühenden Stadt aus Stein und Lehm. Es waren die Handelsbeziehungen zu den Zwergen und Elfen, die Gulodon zu einem Ort machten, an dem Waren und Wissen gleichermaßen flossen. Geschichten erzählen von Zwergen, die kostbare Erze aus den Bergen brachten, und Elfen, die filigrane Artefakte und Magie zum Tausch anboten.
Doch während Gulodon blühte, brodelte es in der Region Eldoria, einst eine Bastion der Mondelfen. Im Jahr -650 begann eine langsame, aber tiefgreifende Veränderung. Menschen, Zwerge, Halblinge und sogar Gnome zogen in das Gebiet und beanspruchten Teile des Landes für sich. Die Mondelfen, die sich immer mehr in den Kern ihrer Wälder zurückzogen, sahen ihr Erbe bedroht. Es dauerte nicht lange, bis die ersten Konflikte ausbrachen. Die sogenannten Schattenschlachten von Eldoria wurden zu einem Sinnbild für den Kampf um fruchtbares Land und Ressourcen. Obwohl diese Kämpfe oft auf kleiner Ebene geführt wurden, trugen sie dazu bei, die politische Landschaft Eldorias nachhaltig zu verändern. Die Region blieb instabil, und die Spannungen zwischen den alteingesessenen Mondelfen und den Neuankömmlingen brachen immer wieder auf.
In der Region Lindorn hingegen fanden im Jahr -623 friedlichere Entwicklungen statt. Die Elfen hielten die Erste Versammlung von Lindorn ab, bei der Vertreter der verschiedenen elfischen Königreiche und Fürstentümer zusammenkamen. Diese Versammlung legte den Grundstein für eine einheitlichere Verwaltung und schuf eine Struktur, die es den Elfen ermöglichte, ihre Kräfte zu bündeln. Lindorn entwickelte sich langsam zum kulturellen und politischen Zentrum der Elfen, und seine Bedeutung wuchs mit jeder Generation.
Im Jahr -600 erhob sich in Brindorn eine neue politische Macht: die Herzöge der Küste. Diese Allianz von lokalen Fürsten und Händlern, bekannt als der „Bund der Küsten“, kontrollierte die Handelswege entlang der Küste und sorgte für Frieden und Wohlstand in der Region. Der Bund begann, diplomatische Beziehungen zu Lindorn und Eldoria aufzubauen, und stärkte so die Stabilität im südlichen Teil Deresas.
Doch nicht alle Entwicklungen waren friedlicher Natur. Die Bergzwerge, bekannt für ihre unermüdliche Arbeit und ihre Meisterschaft in der Runenschmiedekunst, begannen im Jahr -580 mit dem Bau der Festung Aurnagald in den Drachenbergen. Diese Festung, tief in den Felsen verborgen, wurde als Bollwerk gegen die Gefahren der Wildnis errichtet. Doch Aurnagald war mehr als eine Festung – sie wurde auch ein Handelszentrum für Metalle, Edelsteine und magische Runen. In den folgenden Jahrhunderten sollte sie zur Keimzelle von Myrnda, der größten zwergischen Metropole, werden.
Während die Zwerge bauten, verschärften sich die Spannungen in Eldoria weiter. Im Jahr -530 eskalierten die Konflikte, als neue Siedler aus Brindorn und Lindorn begannen, die „Felder der Nacht“ zu beanspruchen. Dieses fruchtbare, aber magisch durchdrungene Land wurde zum Schauplatz erbitterter Kämpfe zwischen Menschen und Mondelfen. Der Konflikt endete in einem zerbrechlichen Waffenstillstand, doch die Wunden, die er hinterließ, heilten nur langsam.
In der Zwischenzeit wuchs Gulodon weiter. Im Jahr -500 wurde die Stadt zur ersten großen Metropole der Menschen. Menschen, Halblinge und Gnome lebten dort in einer Gemeinschaft, die auf Handel, Landwirtschaft und Innovation basierte. Die Märkte von Gulodon wurden zum Dreh- und Angelpunkt für Waren aus allen Teilen Deresas.
Die Zwerge, inspiriert von ihrem Erfolg in Aurnagald, begannen im Jahr -480, Pläne für eine neue Metropole zu schmieden: Myrnda. Diese Stadt, tief im Herzen der Drachenberge, sollte das ehrgeizigste Bauwerk der Zwerge werden. Die Arbeiten an Myrnda zogen sich über Jahrhunderte hin, doch schon die ersten Pläne zeugten von einer Stadt, die ihresgleichen suchte.
Die Ära der Herzöge, Könige und Kaiser erreichte ihren Höhepunkt im Jahr -442, als in Lindorn die Metropole Avar gegründet wurde. Unter der Führung von Königin Lythera El’Tharion, einer visionären Hochelfin, entstand Avar als Zentrum von Kultur, Magie und Politik. Die Stadt, harmonisch in die Hügel und Wälder von Lindorn integriert, wurde zum Sinnbild elfischer Perfektion und kultureller Überlegenheit. Ihre leuchtenden Türme und kunstvollen Hallen zogen Gelehrte, Magier und Händler aus der ganzen Welt an.
Doch während die politischen Strukturen der Welt wuchsen, waren da noch die Legenden und Mythen, die diese Ära prägten. Im Jahr -690 wurde von einem „Steinernen Wächter“ berichtet, einem massiven Golem, der in den Drachenbergen plötzlich zum Leben erwachte. Die Zwerge von Aurnagald behaupteten, dieser Golem sei ein Wächter, der von ihren Urvätern erschaffen wurde, um die Berge vor Nagarian zu schützen.
Im Jahr -500 fiel ein Meteorit in der Nähe von Gulodon, ein Ereignis, das als der „Sternfall von Brindorn“ bekannt wurde. Die Menschen deuteten dies als Zeichen des Wohlstands, während die Elfen und Zwerge es als düsteres Omen sahen. Die Splitter des Meteoriten, von magischer Energie durchdrungen, wurden zu begehrten Artefakten.
Die Ära der Herzöge, Könige und Kaiser war eine Zeit des Aufbaus, des Wachstums und der Konflikte. Sie legte die Grundlage für die Welt, wie sie heute bekannt ist, und ebnete den Weg für die großen Reiche, die in den folgenden Zeitaltern entstehen sollten. Doch wie immer in Deresa schwebte der Schatten von Ganarian und seinem Zyklus über allem, eine Erinnerung daran, dass keine Schöpfung ewig währt.
Die Ära der Ausbreitung und der Erzmagier war eine Zeit, in der die Welt von Deresa nicht nur an Größe, sondern auch an Komplexität gewann. Von -442 bis -120 dehnten sich die Grenzen der Zivilisation aus, und mächtige magische wie politische Strukturen formten die Zukunft der Völker. Es war eine Zeit des Wachstums, in der große Metropolen entstanden, uralte Allianzen neu geschmiedet wurden und das Wissen über die Kräfte der Magie eine neue Blüte erlebte. Doch inmitten des Fortschritts standen immer noch die Schatten von Ganarian und seines ewigen Kreislaufs, der Schöpfung und Zerstörung miteinander verband.
Im Jahr -399, in einer der großen Hallen von Avar, trat Ganarian, der Halbgott des Gleichgewichts, in den Vordergrund. In einer Gestalt, die sowohl beeindruckend als auch furchteinflößend war, offenbarte er sich den Elfen von Lindorn. Er sprach zu ihnen über den Zyklus seiner Existenz: seine Wiedergeburt als Nagarian, die unvermeidbare Zerstörung, die darauf folgte, und seine Rückkehr als Schöpfer. Ganarian erklärte, dass sein Fluch kein bloßer Zufall war, sondern ein notwendiger Teil des Gleichgewichts zwischen Gut und Böse. In diesem Moment bezeichnete er sich selbst als den „Ersten Erzmagier“ und bot den Elfen sein Wissen an, um sie auf die kommenden Herausforderungen vorzubereiten. Dieses denkwürdige Ereignis wurde später als der „Tag der Offenbarung“ bekannt und markierte den Beginn einer neuen Ära der magischen Erleuchtung.
Die Elfen, tief beeindruckt von Ganarians Worten, erkannten die Notwendigkeit einer zentralen magischen Führung. Im Jahr -370 wurde Pala, eine Hochelfin von außergewöhnlichem Talent und tiefer Weisheit, zur Ersten Erzmagierin ernannt. Pala, die für ihre Verbindung zur Magie des Silberlichts bekannt war, wurde Ganarians Schülerin. Unter seiner Anleitung leitete sie eine neue Ära der elfischen Magie ein, die darauf abzielte, das Wissen der Vergangenheit zu bewahren und die Macht der Magie für den Schutz der Welt zu nutzen.
Doch diese Zeit des Lernens wurde durch eine neue Bedrohung überschattet. Im Jahr -310 erhob sich der mächtige Drache Naragan, ein Wesen, das nicht aus Ganarians Zyklus stammte, sondern durch die instabile Magie der Welt geformt wurde. Naragan brachte Zerstörung und Chaos mit sich, und selbst die mächtigsten Magier von Avar waren zunächst machtlos gegen ihn. Unter der Führung von Erzmagierin Pala stellte sich eine Armee von Elfen, unterstützt von magischen Artefakten und uralten Runen, dem Drachen entgegen. In der epischen Schlacht im Tal der Glut gelang es ihnen, Naragan zu bändigen und ihn in einem magischen Gefängnis tief unter den Bergen von Myrnda einzuschließen. Die Kosten dieses Sieges waren hoch, doch er bewies die Stärke der neu geschaffenen magischen Disziplinen.
Der Konflikt zwischen den Elfen und Ganarian selbst erreichte im Jahr -259 seinen Höhepunkt. Als Ganarian erneut aus seiner zerstörerischen Phase erwachte, glaubten einige radikale Magier, dass sie den Zyklus beenden könnten, indem sie ihn töteten. In einem verzweifelten Versuch stellten sie sich gegen ihn, doch Ganarian zeigte ihnen mit Leichtigkeit ihre Ohnmacht. Statt sie zu vernichten, demonstrierte er, dass ihre Annahmen falsch waren, und ließ sie mit ihrer Demütigung zurück. Dieses Ereignis führte zu einer tiefen Reflexion innerhalb der elfischen Gesellschaft und einer neuen Anerkennung der unvermeidlichen Natur von Ganarians Zyklus.
Erzmagierin Pala, die stets Vertrauen in Ganarians Weisheit hatte, organisierte im Jahr -258 eine große Konferenz in Avar. Vertreter aller elfischen Städte und einiger benachbarter Regionen kamen zusammen, um Ganarian zuzuhören. Während dieser Konferenz erklärte Ganarian die Notwendigkeit des Gleichgewichts zwischen Schöpfung und Zerstörung. Er zeigte auf, dass sein Zyklus nicht nur ein Fluch, sondern auch ein Mittel war, um die Welt vor dem völligen Verfall zu bewahren. Dieses Treffen führte zu einer neuen Ära des Verständnisses zwischen Ganarian und den Elfen.
Aus diesem Verständnis heraus wurde zwischen -254 und -250 die Bann-Magiergilde von Avar gegründet. Diese unterirdische Einrichtung wurde zum Zentrum für die Ausbildung der besten Magier, die sich darauf spezialisierten, die zerstörerische Kraft von Nagarian zu bändigen. Die Gilde wurde zu einem Leuchtfeuer des Wissens und einer Bastion des Schutzes. Mit Unterstützung von Ganarian und Erzmagierin Pala entwickelte die Gilde neue Methoden und Techniken, um sich auf die nächste Wiedergeburt des Drachen vorzubereiten.
Doch Pala ruhte nicht. Nach der Gründung der Gilde begann sie ihre große Reise, die später als die „Reise des Silberlichts“ bekannt wurde. Von -249 bis -120 durchwanderte sie die Welt, auf der Suche nach anderen Erzmagiern, die ihre Vision teilen und ihre Kräfte dem Schutz Deresas widmen würden. Ihre Reise führte sie nach Myrnda, wo sie die Magie der Zwerge studierte, in die Wälder von Eldoria, wo sie die Geheimnisse der Mondelfen entdeckte, und sogar zu den Gnomkolonien, die ihr Wissen über magische Mechanik teilten. Sie traf auf die Drachenblütigen und lernte ihre uralten Rituale kennen. Am Ende ihrer Reise hatte Pala ein Netzwerk geschaffen, das die Magie aller Völker vereinte und für den Schutz der Welt nutzbar machte.
Währenddessen wuchsen die politischen und kulturellen Strukturen Deresas weiter. Städte wie Gulodon und Avar entwickelten sich zu Zentren von Handel und Diplomatie. Die Region Lindorn wurde zu einem Schmelztiegel elfischer Kultur, während Myrnda zur mächtigsten zwergischen Metropole heranwuchs. Der Bund von Lindorns drei Herrschaftsstädten – Avar, Londe und Evramar – sicherte die Stabilität der Region und ermöglichte eine neue Blütezeit.
Die Ära der Ausbreitung war eine Zeit des Wachstums, der Erkenntnis und der Herausforderungen. Die Welt wurde größer, ihre Probleme komplexer, doch auch ihre Hoffnung wuchs. Die Magie, die einst nur von wenigen verstanden wurde, wurde zu einer Waffe und einem Schutzschild, während die politischen Strukturen der Welt die Bühne für die kommenden Zeitalter bereiteten. Doch über allem lag der Schatten von Ganarians Zyklus, eine Mahnung, dass keine Schöpfung ohne Zerstörung existieren kann.