Auch Anqā al-Mughrib genannt: ein uralter, seltener Grenzvogel, an dem sich zwei Prinzipien kreuzen – Phönix und Greif. Sein Leib ist groß wie ein Streitross, die Vorderläufe leonisch, der Schädelform majestätisch-adlerhaft; das Gefieder schimmert zwischen Wüstengold, Lapislazuli und Asche, als trüge er die Dämmerung selbst. Sein Ruf klingt wie Wind in Bronze.
  Nach alter Lehre erscheint der Anqa, wenn Grenzen dünn werden: zwischen Tag und Nacht, Sturm und Stille, Leben und Tod. Wo sein Schatten die Dünen streift, lodern schwache Feuerranken in der Luft; wo er landet, bleibt der Abdruck eines Kreisbrandes, in dessen Mitte zuweilen eine einzelne Feder wie ein glimmender Span zurückbleibt. Aus solcher Feder kann der Vogel, heißt es, nach einem Untergang neu erstehen – doch nicht aus jeder, und nie zweimal am selben Ort.
  Als Omen gilt er zweischneidig. Für Reisende in rechter Ordnung ist er Wegweiser und Hüter: Er jagt Luftschlangen und verschlingt „böse Namen“ (Lügen, die an Menschen haften). Für Städte aber, die sich in Hybris erheben, kündet sein Anblick Unheil: Ein Feuer, das nicht wärmt, ein Wind, der nicht löscht. Daher nennt man ihn in den Grenzmarken den „Sturmbringer auf stillen Flügeln“.
  Die wenigen, die ihm Opfer darbringen, wählen Safran, Dattelhoney und klares Wasser und stellen es auf den höchsten Turmspitzen in Schalen aus unglasierter Keramik bereit. Pfeile auf ihn zu richten gilt als Frevel; wer es dennoch tut, verlernt – so sagen die Alten – für sieben Nächte den Schlaf. Sein Hort wird auf unerreichbaren Basaltnadeln vermutet, dort, wo der Mibrad Allāh am leisesten atmet.
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