Neue Nähe
Fern aller Konventionen
Die Fahrt dauerte nicht lange, dann stoppte der Wagen, und Ebram hörte, wie wieder beide Türen sich öffneten und wieder zufielen. Er hörte Abbys Stimme: „Ich hole den Doktor.“ Dann eine andere, von der Ebram nicht gedacht hätte, sie zu hören: Bernard. „Nein, ich hole ihn!“
Er schlug die Decke zurück und richtete sich auf. Er blinzelte, um sich an das wenige Licht der Umgebung zu gewöhnen, und sah in die Richtung, aus der Bernards Stimme gekommen war. Der Vorarbeiter zog sich gerade eine Hose an, sein Körper war noch immer mit der roten Farbe beschmiert, aber das schien ihn im Moment nicht zu kümmern. Er richtete sich gerade auf, um den Hosenbund zu schließen, als sich ihre Blicke begegneten und er erstarrte.
„Ebram, es… tut mir leid… also ich meine, der Kinnhaken!“ Sein Blick richtete sich forschend und um Verzeihung bittend auf Ebram.
Dieser hatte die Worte zwar gehört, aber nicht verstanden. Er versuchte gerade zu begreifen, wieso Bernard hier war. Langsam kam die Erkenntnis, dass Bernard nie zu den Kultisten gehört hatte. Dass er mitgespielt hatte, um ihn zu retten. Ebenso Abby, die er nun in einem ganz anderen Licht betrachtete. Bernard war näher getreten und beobachtete ihn aufmerksam. „Ebram? Geht es dir gut?“, fragte er mit Sorge in der Stimme.
Mit der Erkenntnis kam auch seine Aufmerksamkeit wieder, und er nickte langsam. „Ja, soweit schon, denke ich. Ich muss das erst mal verdauen.“ Er versuchte zu lächeln.
Er folgte mit den Augen Bernard der um den Wagen herum ging zur Klappe der Ladefläche, sie öffnete und dem Doktor bedeutete, dass er herunterkommen sollte. Ebram rutschte mit der Decke zusammen näher und glitt dann etwas ungeschickt, mit wackligen Beinen, auf den Waldboden. Die beiden standen sich gegenüber: Bernard – groß, breitschultrig, nur in seiner Hose, barfuß, mit Blut beschmiert. Und Ebram – adrett in Hemd und Krawatte, mit Tweedweste und Anzughose, allerdings verdreckt und mit Löchern an den Knien.
Sie sahen sich gegenseitig an – in Bernards Augen die Bitte um Verzeihung, in Ebrams Augen eine Mischung aus Bewunderung und Dankbarkeit. Eine gewisse Anspannung lag in dem Moment.
Ohne ein Wort zu sagen zog Bernard Ebram zu sich heran und drückte ihn an sich. Ebram reagierte zuerst steif und wollte sich schon dagegenstemmen, doch irgendetwas in ihm hielt ihn zurück. Ganz langsam, als könnte es vielleicht gefährlich sein, erwiderte er die Umarmung. Seine Hände legten sich auf den Rücken des Vorarbeiters, und er spürte die Muskeln unter der Haut, die Wärme – und die Gänsehaut, die er bei Bernard auslöste. Das irritierte ihn, und er wollte sich wieder zurückziehen, als Bernard den Kopf schüttelte, ihn kurz fester drückte und mit rauer Stimme sagte: „Nein, bleib, es ist gut so.“
Peinlich berührt entzog sich Ebram dem Vorarbeiter und versuchte, seine Fassung wiederzugewinnen. Die Röte blühte auf seinen Wangen, und Abby lachte auf. „Doktor, Sie sind wirklich ein Mädchen, oder?“
Sie schulterte einen Rucksack und reichte Bernard ein Baumwollhemd zum Anziehen. Dieser grinste beim Anziehen Abby an. „Dann hab ich ja zwei Mädchen!“ Nicht wissend, ob Bernard nur einen Scherz gemacht hatte, sah Ebram zu ihm, versuchte in dessen Gesicht zu lesen – doch der hatte sich schon abgewandt und zog zwei Rucksäcke von der Ladefläche. Der eine war groß und bis zum Bersten gefüllt und behangen, der andere klein und nicht ganz so schwer.
Ebram nahm den kleinen Rucksack entgegen und wollte ihn öffnen, doch Bernard, der nun vor ihm kniete und seine Arbeitsstiefel schnürte, schüttelte den Kopf. „Abby hat recht, wir sollten uns schleunigst auf den Weg machen. Unser Vorsprung ist nur gering – vermutlich haben sie mittlerweile entdeckt, dass du entkommen bist. Nachschauen kannst du später.“
Ohne einen weiteren Blick auf den Rucksack zu verschwenden, schlupfte Ebram in die Trageschlaufen und nickte. „Du hast recht.“ Seine Worte klangen, als würde er mit ihnen neuen Mut tanken. Bernard hatte nun auch seine Schuhe an, richtete sich auf, schulterte seinen schweren Rucksack und drehte sich zu Abby um. „Hast du den Kompass?“ Sie hielt ihn hoch und deutete nach kurzem Draufschauen in eine Richtung. „Das ist genau die entgegengesetzte Richtung zum Lager.“
Bernard nickte und schritt voran. „Gut, wir gehen quer dazu, nicht direkt. Abby, du lenkst uns, wenn wir abdriften. Ebram, du hältst Ausschau nach hinten, versuch mitzuhalten – und wenn du nicht mehr kannst, gib Bescheid.“
Stolz hob Ebram den Kopf. „Ich schaff das schon!“ Er hörte Abby genervt aufstöhnen und Bernard trat mit zwei schnellen Schritten zu ihm. „Nein, Ebram – kein falscher Stolz. Wenn du nicht mehr kannst, dann sag es. Letztendlich können wir dich, wenn es brenzlig wird, nicht tragen. Du musst in der Lage sein, jederzeit nochmal rennen oder kämpfen zu können. Verstanden?“
Überwältigt von der Eindringlichkeit und Nähe, mit der Bernard sprach, nickte Ebram fast schon eifrig. „Natürlich, du hast wieder mal recht.“
Schmunzelnd sah Bernard Ebram an, wollte etwas erwidern – aber dann legte er einfach die Hand in Ebrams Nacken, beugte sich leicht herunter und küsste ihn sanft. Der Kuss war nur kurz und wurde durch Abbys genervtes Aufstöhnen ein wenig gestört, aber er löste in Ebram eine Kaskade von unbeschreiblichen Gefühlen aus.
Als Bernard sich wieder zurückzog und die Hand von seinem Nacken nahm, musste Ebram mit seinen widerstreitenden Gedanken kämpfen. Bernard lachte leise und amüsiert. „Dein erster Kuss?“
Er stolperte hinter den beiden her und war zu sehr in seiner Gedankenwelt gefesselt, um um eine Pause zu bitten oder sich umzusehen. Sein Blick war immer wieder auf Bernard gerichtet – auf den breiten Rücken und die großen, kräftigen Hände. Ebrams Gefühle fuhren Achterbahn, und immer wenn der Kuss vor seinem inneren Auge auftauchte und er die Berührung auf seinen Lippen nachfühlte, ebenso die Hand im Nacken, wurden ihm die Beine weich und der Magen flau. Es fühlte sich fast so an wie in einem schnellen Aufzug, wenn man nach oben fuhr.
Bald hörte man ihn keuchen, und Abby machte Bernard darauf aufmerksam. Dieser nickte verhalten. „Ich weiß“, seufzte er, „aber ich will eh ein Lager für die Nacht aufschlagen. Ich hoffe, ich finde bald einen guten Platz.“
Abby sah noch einmal kurz zum heftig atmenden Doktor, dann wieder zu Bernard. „Der hält nicht mehr lange durch.“
Seufzend nahm Bernard den Rucksack ab. „Also gut, richten wir uns hier ein – dieser Ort ist genauso gut wie jeder andere hier.“ Auch Abby nahm mit einem Seufzen den Rucksack von den Schultern – ihres war aber der Erleichterung geschuldet, endlich die Last abnehmen zu können.
Ebram lehnte sich gegen einen Baum und sah zu den beiden. „Machen wir … hier … eine … Pause?“ Das Lager war nicht viel mehr als drei Decken, auf denen drei Schlafsäcke lagen. Die Rucksäcke dienten als Kissen für Ebram und Abby. Bernard lag nicht im Schlafsack, sondern blieb wach und aufmerksam in der Nähe stehen.
„Ich werde gegen Morgen ein wenig schlafen, dann wecke ich euch beide, und ihr haltet Wache“, war seine Antwort auf ihrer beider fragenden Blicke. Noch übermüdet von der gestrigen Nacht und den Strapazen schlief Ebram fast augenblicklich ein.
Er sah in Bernards Augen, die einen sehr seltsamen Ausdruck trugen, den er nicht einordnen konnte, und nickte in der Annahme, seine Wache stünde an. „Ok, ich bin wach. Soll ich die Wache übernehmen?“
In Bernards Gesicht lag kurz ein verdutzt-nachdenklicher Ausdruck, dann verkniff er sich ein Auflachen. Erst da bemerkte Ebram, dass der große Mann die Arme neben seinem Kopf gestützt hatte und sich halb über ihn beugte. Zögerlich neigte Bernard sich näher, ein fragender Blick in seinen Augen.
Ebram wusste nicht, wo er hinschauen sollte. Er konnte sich aber auch nicht rühren, denn sein Herz wummerte rasant in Erwartung dessen, was nun kommen würde. Er wollte es – aber sein Verstand rebellierte, und so war er in einer erwartenden Starre gefangen. Die beginnende Helligkeit der Morgendämmerung erlaubte es Ebram, das Verlangen in Bernards Augen zu sehen, auch wenn er es nicht einordnen konnte – und dieses Verlangen löste in ihm das gleiche aus.
Unbewusst öffnete er leicht den Mund, was Bernard sofort registrierte und ihn mit einem innigen Kuss verschloss. Ebrams Körper hieß diese Liebkosung willkommen, sein Verstand wurde einfach beiseitegeschoben. Unbeholfen, aber gierig erwiderte er Bernards Kuss, und als dieser kurz den Kopf hob, um Ebram anzusehen, folgte er ihm und gab ihm keine Gelegenheit aufzuhören.
Bernard stöhnte leise auf und riss sich dann von ihm los. „Ebram, bitte!“ Er legte zwei Finger auf Ebrams Mund und lächelte liebevoll, aber von innerer Spannung gezeichnet. „Ich kann mich so kaum noch beherrschen – tut mir leid.“
Er richtete sich schnell auf und atmete mit in den Nacken gelegtem Kopf tief aus. Ebram richtete sich ebenfalls auf und sah verstört drein. Sein ganzer Körper schrie nach dem Gefühl von eben – und nun zog Bernard sich zurück? Warum?
„Seid ihr fertig?“ kam Abbys gelangweilte Stimme von der Seite. Sie hatte den Kopf auf die Hand gestützt und lag seitlich beobachtend in ihrem Schlafsack. Bernard begann lauthals und befreiend zu lachen, Ebram stieg die Schamesröte ins Gesicht, und er wandte sich um.
Er schlug die Decke zurück und richtete sich auf. Er blinzelte, um sich an das wenige Licht der Umgebung zu gewöhnen, und sah in die Richtung, aus der Bernards Stimme gekommen war. Der Vorarbeiter zog sich gerade eine Hose an, sein Körper war noch immer mit der roten Farbe beschmiert, aber das schien ihn im Moment nicht zu kümmern. Er richtete sich gerade auf, um den Hosenbund zu schließen, als sich ihre Blicke begegneten und er erstarrte.
„Ebram, es… tut mir leid… also ich meine, der Kinnhaken!“ Sein Blick richtete sich forschend und um Verzeihung bittend auf Ebram.
Dieser hatte die Worte zwar gehört, aber nicht verstanden. Er versuchte gerade zu begreifen, wieso Bernard hier war. Langsam kam die Erkenntnis, dass Bernard nie zu den Kultisten gehört hatte. Dass er mitgespielt hatte, um ihn zu retten. Ebenso Abby, die er nun in einem ganz anderen Licht betrachtete. Bernard war näher getreten und beobachtete ihn aufmerksam. „Ebram? Geht es dir gut?“, fragte er mit Sorge in der Stimme.
Mit der Erkenntnis kam auch seine Aufmerksamkeit wieder, und er nickte langsam. „Ja, soweit schon, denke ich. Ich muss das erst mal verdauen.“ Er versuchte zu lächeln.
Er folgte mit den Augen Bernard der um den Wagen herum ging zur Klappe der Ladefläche, sie öffnete und dem Doktor bedeutete, dass er herunterkommen sollte. Ebram rutschte mit der Decke zusammen näher und glitt dann etwas ungeschickt, mit wackligen Beinen, auf den Waldboden. Die beiden standen sich gegenüber: Bernard – groß, breitschultrig, nur in seiner Hose, barfuß, mit Blut beschmiert. Und Ebram – adrett in Hemd und Krawatte, mit Tweedweste und Anzughose, allerdings verdreckt und mit Löchern an den Knien.
Sie sahen sich gegenseitig an – in Bernards Augen die Bitte um Verzeihung, in Ebrams Augen eine Mischung aus Bewunderung und Dankbarkeit. Eine gewisse Anspannung lag in dem Moment.
Ohne ein Wort zu sagen zog Bernard Ebram zu sich heran und drückte ihn an sich. Ebram reagierte zuerst steif und wollte sich schon dagegenstemmen, doch irgendetwas in ihm hielt ihn zurück. Ganz langsam, als könnte es vielleicht gefährlich sein, erwiderte er die Umarmung. Seine Hände legten sich auf den Rücken des Vorarbeiters, und er spürte die Muskeln unter der Haut, die Wärme – und die Gänsehaut, die er bei Bernard auslöste. Das irritierte ihn, und er wollte sich wieder zurückziehen, als Bernard den Kopf schüttelte, ihn kurz fester drückte und mit rauer Stimme sagte: „Nein, bleib, es ist gut so.“
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Der Moment währte trotzdem nur kurz, denn Abby gesellte sich zu ihnen. „Hey, ihr zwei Täubchen, habt ihr vergessen, dass da ein paar blutrünstige Verrückte hinter uns her sind? Wir müssen einen Unterschlupf finden, und zwar schnell. Also hört auf mit dem Gefummel und schnappt euch die Ausrüstung – sonst fummel ich mit!“
Peinlich berührt entzog sich Ebram dem Vorarbeiter und versuchte, seine Fassung wiederzugewinnen. Die Röte blühte auf seinen Wangen, und Abby lachte auf. „Doktor, Sie sind wirklich ein Mädchen, oder?“
Sie schulterte einen Rucksack und reichte Bernard ein Baumwollhemd zum Anziehen. Dieser grinste beim Anziehen Abby an. „Dann hab ich ja zwei Mädchen!“ Nicht wissend, ob Bernard nur einen Scherz gemacht hatte, sah Ebram zu ihm, versuchte in dessen Gesicht zu lesen – doch der hatte sich schon abgewandt und zog zwei Rucksäcke von der Ladefläche. Der eine war groß und bis zum Bersten gefüllt und behangen, der andere klein und nicht ganz so schwer.
Ebram nahm den kleinen Rucksack entgegen und wollte ihn öffnen, doch Bernard, der nun vor ihm kniete und seine Arbeitsstiefel schnürte, schüttelte den Kopf. „Abby hat recht, wir sollten uns schleunigst auf den Weg machen. Unser Vorsprung ist nur gering – vermutlich haben sie mittlerweile entdeckt, dass du entkommen bist. Nachschauen kannst du später.“
Ohne einen weiteren Blick auf den Rucksack zu verschwenden, schlupfte Ebram in die Trageschlaufen und nickte. „Du hast recht.“ Seine Worte klangen, als würde er mit ihnen neuen Mut tanken. Bernard hatte nun auch seine Schuhe an, richtete sich auf, schulterte seinen schweren Rucksack und drehte sich zu Abby um. „Hast du den Kompass?“ Sie hielt ihn hoch und deutete nach kurzem Draufschauen in eine Richtung. „Das ist genau die entgegengesetzte Richtung zum Lager.“
Bernard nickte und schritt voran. „Gut, wir gehen quer dazu, nicht direkt. Abby, du lenkst uns, wenn wir abdriften. Ebram, du hältst Ausschau nach hinten, versuch mitzuhalten – und wenn du nicht mehr kannst, gib Bescheid.“
Stolz hob Ebram den Kopf. „Ich schaff das schon!“ Er hörte Abby genervt aufstöhnen und Bernard trat mit zwei schnellen Schritten zu ihm. „Nein, Ebram – kein falscher Stolz. Wenn du nicht mehr kannst, dann sag es. Letztendlich können wir dich, wenn es brenzlig wird, nicht tragen. Du musst in der Lage sein, jederzeit nochmal rennen oder kämpfen zu können. Verstanden?“
Überwältigt von der Eindringlichkeit und Nähe, mit der Bernard sprach, nickte Ebram fast schon eifrig. „Natürlich, du hast wieder mal recht.“
Schmunzelnd sah Bernard Ebram an, wollte etwas erwidern – aber dann legte er einfach die Hand in Ebrams Nacken, beugte sich leicht herunter und küsste ihn sanft. Der Kuss war nur kurz und wurde durch Abbys genervtes Aufstöhnen ein wenig gestört, aber er löste in Ebram eine Kaskade von unbeschreiblichen Gefühlen aus.
Als Bernard sich wieder zurückzog und die Hand von seinem Nacken nahm, musste Ebram mit seinen widerstreitenden Gedanken kämpfen. Bernard lachte leise und amüsiert. „Dein erster Kuss?“
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Der große Vorarbeiter schritt zügig voran, Abby folgte ihm fast mühelos, doch Ebram hatte schon nach einer Stunde zu kämpfen.
Seine Gedanken tanzten in einem irren Chaos und versuchten, alles zu verarbeiten, was bisher geschehen war: die Gefangennahme, die Flucht – und vor allem der Kuss.
Er stolperte hinter den beiden her und war zu sehr in seiner Gedankenwelt gefesselt, um um eine Pause zu bitten oder sich umzusehen. Sein Blick war immer wieder auf Bernard gerichtet – auf den breiten Rücken und die großen, kräftigen Hände. Ebrams Gefühle fuhren Achterbahn, und immer wenn der Kuss vor seinem inneren Auge auftauchte und er die Berührung auf seinen Lippen nachfühlte, ebenso die Hand im Nacken, wurden ihm die Beine weich und der Magen flau. Es fühlte sich fast so an wie in einem schnellen Aufzug, wenn man nach oben fuhr.
Bald hörte man ihn keuchen, und Abby machte Bernard darauf aufmerksam. Dieser nickte verhalten. „Ich weiß“, seufzte er, „aber ich will eh ein Lager für die Nacht aufschlagen. Ich hoffe, ich finde bald einen guten Platz.“
Abby sah noch einmal kurz zum heftig atmenden Doktor, dann wieder zu Bernard. „Der hält nicht mehr lange durch.“
Seufzend nahm Bernard den Rucksack ab. „Also gut, richten wir uns hier ein – dieser Ort ist genauso gut wie jeder andere hier.“ Auch Abby nahm mit einem Seufzen den Rucksack von den Schultern – ihres war aber der Erleichterung geschuldet, endlich die Last abnehmen zu können.
Ebram lehnte sich gegen einen Baum und sah zu den beiden. „Machen wir … hier … eine … Pause?“ Das Lager war nicht viel mehr als drei Decken, auf denen drei Schlafsäcke lagen. Die Rucksäcke dienten als Kissen für Ebram und Abby. Bernard lag nicht im Schlafsack, sondern blieb wach und aufmerksam in der Nähe stehen.
„Ich werde gegen Morgen ein wenig schlafen, dann wecke ich euch beide, und ihr haltet Wache“, war seine Antwort auf ihrer beider fragenden Blicke. Noch übermüdet von der gestrigen Nacht und den Strapazen schlief Ebram fast augenblicklich ein.
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Ebram erwachte durch ein sanftes Rütteln an seiner Schulter. Als er erschrocken die Augen aufriss und den Mund öffnete, legte sich ein Finger auf seine Lippen. „Psst, Abby schläft noch!“
Er sah in Bernards Augen, die einen sehr seltsamen Ausdruck trugen, den er nicht einordnen konnte, und nickte in der Annahme, seine Wache stünde an. „Ok, ich bin wach. Soll ich die Wache übernehmen?“
In Bernards Gesicht lag kurz ein verdutzt-nachdenklicher Ausdruck, dann verkniff er sich ein Auflachen. Erst da bemerkte Ebram, dass der große Mann die Arme neben seinem Kopf gestützt hatte und sich halb über ihn beugte. Zögerlich neigte Bernard sich näher, ein fragender Blick in seinen Augen.
Ebram wusste nicht, wo er hinschauen sollte. Er konnte sich aber auch nicht rühren, denn sein Herz wummerte rasant in Erwartung dessen, was nun kommen würde. Er wollte es – aber sein Verstand rebellierte, und so war er in einer erwartenden Starre gefangen. Die beginnende Helligkeit der Morgendämmerung erlaubte es Ebram, das Verlangen in Bernards Augen zu sehen, auch wenn er es nicht einordnen konnte – und dieses Verlangen löste in ihm das gleiche aus.
Unbewusst öffnete er leicht den Mund, was Bernard sofort registrierte und ihn mit einem innigen Kuss verschloss. Ebrams Körper hieß diese Liebkosung willkommen, sein Verstand wurde einfach beiseitegeschoben. Unbeholfen, aber gierig erwiderte er Bernards Kuss, und als dieser kurz den Kopf hob, um Ebram anzusehen, folgte er ihm und gab ihm keine Gelegenheit aufzuhören.
Bernard stöhnte leise auf und riss sich dann von ihm los. „Ebram, bitte!“ Er legte zwei Finger auf Ebrams Mund und lächelte liebevoll, aber von innerer Spannung gezeichnet. „Ich kann mich so kaum noch beherrschen – tut mir leid.“
Er richtete sich schnell auf und atmete mit in den Nacken gelegtem Kopf tief aus. Ebram richtete sich ebenfalls auf und sah verstört drein. Sein ganzer Körper schrie nach dem Gefühl von eben – und nun zog Bernard sich zurück? Warum?
„Seid ihr fertig?“ kam Abbys gelangweilte Stimme von der Seite. Sie hatte den Kopf auf die Hand gestützt und lag seitlich beobachtend in ihrem Schlafsack. Bernard begann lauthals und befreiend zu lachen, Ebram stieg die Schamesröte ins Gesicht, und er wandte sich um.


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